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Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Titel: Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Meierei, aber die Franken waren dort gewesen, und nun gab es nur noch rauchende, blutbespritzte Trümmer, eingestürzte Mauern und eine Quelle, die von den Leichen der Frauen und Kinder vergiftet war. Da die Waldpfade von unseren Posten bewacht wurden, konnten wir uns den Luxus eines Feuers leisten, über dem wir ein paar Hasen und ein Zicklein brieten. Wir tranken Wasser und taten, als wäre es Wein.
    »Falerner«, sagte Galahad verträumt und hielt seinen Tonbecher zu den Sternen empor, als wäre es ein goldener Pokal.
    »Wer ist denn das?« erkundigte sich Culhwch.
    »Falerner, mein lieber Culhwch, ist ein Wein, ein überaus angenehmer römischer Wein.«
    »Ich mag keinen Wein«, verkündete Culhwch und gähnte ausgiebig. »Weibergetränk. Aber sächsisches Ale! Das ist was für Männer!« Innerhalb weniger Minuten war er eingeschlafen. Galahad fand keinen Schlaf. Das Feuer war heruntergebrannt, während die Sterne über uns hell und klar funkelten. Einmal fiel eine Sternschnuppe. Sie schnitt ihren weißen Pfad durch den Himmel, und Galahad schlug das Kreuz, denn er war Christ, und für ihn war eine Sternschnuppe ein Zeichen dafür, daß ein Dämon aus dem Paradies stürzte. »Einstmals war es auf Erden«, sagte er.
    »Was?« fragte ich ihn erstaunt.
    »Das Paradies.« Er streckte sich im Gras aus und bettete den Kopf auf seine Arme. »Das himmlische Paradies.«
    »Meinst du Ynys Trebes?«
    »Nein, nein, Derfel. Ich meine, daß Gott uns, als er uns Menschen schuf, ein Paradies schenkte, in dem wir leben durften, und mir scheint, daß wir dieses Paradies seit jener Zeit Zoll um Zoll verloren haben. Und bald wird es ganz verloren sein. Die Finsternis senkt sich herab.« Eine Weile blieb er stumm; dann richtete er sich auf, weil seine Gedanken ihm neue Kraft verliehen hatten. »Stell dir doch mal vor«, sagte er, »vor kaum hundert Jahren war in diesem Land alles friedlich. Die Menschen bauten große Häuser. Wir können nicht so bauen wie sie. Ich weiß, daß Vater einen schönen Palast geschaffen hat, aber der besteht nur aus den Ruinen der alten Paläste, die er zusammengeschustert und mit Steinen geflickt hat. Wir können nicht bauen wie die Römer. Weder so hoch noch so schön. Wir können keine Straßen bauen, wir können keine Kanäle bauen, wir können keine Aquädukte bauen.« Ich wußte nicht mal, was ein Aquädukt war, verhielt mich aber still, da Culhwch neben mir zufrieden schnarchte. »Ganze Städte haben die Römer gebaut«, fuhr Galahad fort, »so riesengroß, Derfel, daß man einen ganzen Vormittag brauchen würde, um von einem Ende der Stadt zum anderen zu wandern, und bei jedem Schritt würde man auf ebenmäßig behauene Steine treten. In jenen Tagen konnte man wochenlang marschieren und hätte sich immer noch auf römischem Territorium befunden, wo man dem römischen Gesetz unterworfen wäre und die römische Sprache hören würde. Und sieh es dir jetzt an.« Er deutete in die Nacht hinaus. »Nichts als Dunkelheit. Und sie breitet sich aus, Derfel. Die Finsternis kriecht nach Armorica hinein. Benoic wird fallen, und nach Benoic Broceliande, und nach Broceliande Britannien. Keine Gesetze mehr, keine Bücher mehr, keine Musik mehr, keine Rechtsprechung mehr, nur widerwärtige Männer, die um rauchende Feuer hocken und überlegen, wen sie am nächsten Tag töten wollen.«
    »Nicht, solange Arthur lebt«, wandte ich trotzig ein.
    »Ein Mann allein gegen die Finsternis?« fragte Galahad skeptisch.
    »War euer Christus nicht auch ein Mann allein gegen die Finsternis?« entgegnete ich.
    Galahad überlegte einen Moment und starrte ins Feuer, das Schatten auf sein kraftvolles Gesicht warf. »Christus«, sagte er schließlich, »war unsere letzte Chance. Er lehrte uns, einander zu lieben, einander Gutes zu tun, den Armen Almosen zu geben, die Hungrigen zu speisen, die Nackten zu kleiden. Deswegen haben die Menschen ihn getötet.« Er wandte sich um und sah mich an. »Ich glaube, Christus wußte, was kommen würde, und hat uns deswegen verheißen, wenn wir so lebten wie er, würden wir eines Tages zu ihm ins Paradies gelangen. Nicht auf der Erde, Derfel, sondern im Himmel. Dort oben…« - er deutete zu den Sternen hinauf -
    »weil er wußte, daß es mit der Erde zu Ende ging. Wir leben in den letzten Tagen. Selbst deine Götter sind geflohen und haben uns im Stich gelassen. Ist es nicht das, was du mir sagst? Daß dein Merlin fremde Lande durchstreift, um Hinweise auf die alten Götter zu finden, aber was

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