Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
sie kam, aber sie kam. Ihr müßt wissen, Derfel, daß Guinevere und Bischof Sansum - erinnert Ihr Euch? Wie könnte man den vergessen! -, daß diese beiden miteinander im Streit liegen. Nimue war Guineveres Waffe. Gott weiß, was Merlin sich von Nimue erwartete, aber Sansum wollte es gar nicht erst erfahren. Er predigte gegen Nimue und verkündete, sie sei eine Hexe. Einige meiner Mitchristen sind, fürchte ich, nicht von Menschenliebe erfüllt, und Sansum predigte, daß man sie steinigen müßte.«
»Nein!« protestierte ich entsetzt.
»Nein, nein!« Er hob die Hand, um mich zu beruhigen. »Sie hat sich gewehrt, indem sie die Heiden vom Land ringsum in die Stadt holte. Die haben Sansums neue Kapelle geplündert, es kam zu Tumulten, und es gab ein Dutzend Tote, obwohl weder sie noch Sansum verletzt wurden. Die Wache des Königs geriet in Panik, weil sie ein Attentat auf Mordred vermuteten. Das war es natürlich nicht, aber nun konnte sie nichts mehr daran hindern, ihre Speere einzusetzen. Dann wurde Nimue von Nabur, dem Magistraten, der für den König verantwortlich ist, verhaftet und der Anstiftung zum Aufruhr schuldig gesprochen. Das war natürlich klar, er ist schließlich Christ. Bischof Sansum forderte ihren Tod, Prinzessin Guinevere verlangte, daß Nimue freigelassen werde, und während sich diese Streitereien hinzogen, schmachtete Nimue in Naburs Kerker.« Bedwin hielt inne. An seiner Miene erkannte ich, daß das Schlimmste noch kommen würde. »Sie wurde wahnsinnig, Derfel«, fuhr der Bischof schließlich fort.
»Es war, als hätte man einen ungezähmten Falken
eingesperrt, wißt Ihr, und sie lehnte sich gegen die Gitterstäbe auf. Sie wurde wahnsinnig, heulte und schrie. Niemand vermochte sie zu bändigen.«
Jetzt wußte ich, was kommen würde. Ich schüttelte den Kopf.
»Nein«, sagte ich leise.
»Die Toteninsel«, sprach Bedwin die entsetzliche Wahrheit aus. »Was sollten sie sonst tun?«
»Nein!« protestierte ich abermals, denn Nimue war auf der Toteninsel verloren unter den Zerbrochenen, und ich vermochte den Gedanken an dieses Schicksal nicht zu ertragen. »Die dritte Wunde«, sagte ich leise.
»Wie bitte?« Bedwin legte die Hand hinters Ohr.
»Ach, nichts«, wehrte ich ab. »Lebt sie noch?«
»Wer weiß? Kein lebender Mensch geht freiwillig dorthin, und wenn doch, kann er nicht mehr zurück.«
»Aber dann muß Merlin dorthin gegangen sein!« rief ich erleichtert. Merlin hatte es zweifellos von dem Mann erfahren, der hinten im Innenhof mit ihm geflüstert hatte, und Merlin vollbrachte Dinge, die kein anderer Mensch vollbringen konnte. Die Toteninsel hatte für Merlin keinen Schrecken. Was sonst konnte der Grund dafür sein, daß er so unvermittelt verschwunden war? In ein, zwei Tagen, dachte ich, wird er nach Durnovaria zurückkehren und Nimue heil und gesund zurückbringen. Es konnte nicht anders sein.
»Betet zu Gott, daß es so ist«, sagte Bedwin. »Ihr zuliebe.«
»Was ist mit Sansum geschehen?« erkundigte ich mich rachsüchtig.
»Er wurde nicht offiziell bestraft«, antwortete Bedwin, »aber Guinevere überredete Arthur, ihm den Posten als Mordreds Kaplan zu entziehen. Dann starb der alte Bursche, der den Schrein vom heiligen Dornbusch auf Ynys Wydryn verwaltete, und ich konnte unseren jungen Bischof überreden, das Amt zu übernehmen. Er war nicht sehr glücklich darüber, doch da er wußte, daß er sich in Durnovaria zu viele Feinde gemacht hatte, akzeptierte er den Vorschlag.« Bedwin war eindeutig entzückt über Sansums tiefen Fall. »Seine Macht hier hat er verloren, und ich kann mir nicht vorstellen, daß er sie je zurückgewinnt. Das heißt, wenn er nicht sehr viel gerissener ist, als ich denke. Natürlich ist er auch einer von denjenigen, die flüsternd verlangen, Arthur zu opfern. Ein weiterer ist Nabur. In unserem Königreich gibt es jetzt eine MordredPartei, Derfel, und die fragt, warum wir kämpfen sollen, um Arthurs Leben zu retten.«
Ich trat um eine Pfütze Erbrochenes herum, die von einem betrunkenen Soldaten aus der Halle stammte. Der Mann stöhnte, blickte zu mir auf und würgte schon wieder. »Wer sonst könnte Dumnonia regieren?« fragte ich Bedwin, als wir außer Hörweite des Betrunkenen waren.
»Eine gute Frage, Derfel. Ja, wer? Gorfyddyd natürlich, oder sein Sohn Cuneglas. Manche flüstern auch Gereints Namen, aber der will nicht. Nabur hat sogar angedeutet, daß ich die Macht übernehmen könnte. Genaues hat er natürlich nicht gesagt, immer nur
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