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Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Titel: Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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klagenden Wind grinsten.
    »Nimue?« Ich bekam keine Antwort, außer dem Heulen des kalten Windes, dem Geschrei der Möwen und dem Beben der grausigen See.
    Ich trat ein. Es war kalt in der Höhle, und das Licht wirkte fahl. Die Wände waren feucht. Da der Kieselboden vor mir anstieg, war ich gezwungen, mich vorsichtig und tief gebückt unter der schwer herabhängenden Decke vorwärtszutasten. Immer enger wurde die Höhle, dann bog sie auf einmal scharf nach links. Ich wartete an der Biegung, die von einem dritten Schädel bewacht wurde, bis meine Augen sich an das Halbdunkel gewöhnt hatten, und als ich mich dann vorsichtig an dem Schädel vorbeischob, entdeckte ich, daß sich die Höhle immer weiter verengte und schließlich endete. Und dort, im hintersten, finstersten Winkel der Höhle, fand ich sie endlich. Meine Nimue.
    Zunächst dachte ich, sie sei tot, denn sie war nackt und lag zusammengekrümmt da, die mageren Beine bis zu den Brüsten hochgezogen, die bleichen Arme um die
    Unterschenkel geklammert. Ihr Gesicht war unter den dunklen, verdreckten Haaren verborgen. Damals, in den grünen Hügeln, hatten wir zuweilen den Zorn der Hügelgeister herausgefordert, in den grasbewachsenen Hünengräbern herumgewühlt und nach dem Gold der Alten gesucht. Wir hatten ihre Knochen in genau derselben Stellung in der Erde vorgefunden, wo sie bis in alle Ewigkeit so dort hockten, um die bösen Geister abzuwehren.
    »Nimue?« Ich mußte die letzten paar Schritte bis zu ihr auf allen vieren kriechen. »Nimue?« fragte ich abermals. Diesmal blieb mir ihr Name in der Kehle stecken, denn ich war sicher, daß sie tot war. Dann aber sah ich, daß sich ihre Rippen hoben. Sie atmete, lag aber sonst so still wie eine Tote. Ich legte Hywelbane nieder und streckte die Hand aus, um ihre kalte weiße Schulter zu berühren. »Nimue?«
    Sie sprang mich an, zischend, mit gebleckten Zähnen, ein Auge eine grellrote Höhle, das andere so verdreht, daß nur noch das Weiße des Augapfels zu sehen war. Sie versuchte mich zu beißen, krallte mit den Händen nach mir, kreischte mit heulender Stimme einen Fluch, um mich gleich darauf anzuspucken, und schließlich hieb sie mit ihren langen Nägeln nach meinen Augen. »Nimue!« schrie ich. Sie spie, sabberte, kämpfte und schnappte mit verdreckten Zähnen nach meinem Gesicht. »Nimue!«
    Sie kreischte einen weiteren Fluch und griff mit ihrer rechten Hand nach meiner Kehle. Sie kämpfte mit der Kraft der Wahnsinnigen, und als sich ihre Finger um meine Gurgel schlossen, stieg ihr Schrei triumphierend empor. Dann aber wußte ich plötzlich, was ich tun mußte. Ich ergriff ihre Linke, ignorierte den Schmerz an meiner Kehle und legte meine eigene, vernarbte Handfläche an ihre Narbe. Ich legte sie dorthin, ließ sie dort liegen und rührte mich nicht. Und langsam, ganz langsam lockerte sich ihr Griff an meiner Kehle. Langsam, ganz langsam rollte ihr gesundes Auge zurück, so daß ich wieder die klare Seele meiner Liebsten sehen konnte. Sie starrte mich an und begann zu weinen.
    »Nimue«, sagte ich, und sie legte die Arme um meinen Hals und klammerte sich fest an mich. Jetzt schluchzte sie so bitterlich, daß ihr fast die dünnen Rippen zersprangen, während ich sie hielt, sie streichelte und ihren Namen flüsterte. Das Schluchzen ließ nach und hörte schließlich auf. Aber sehr lange noch hing sie an meinem Hals. Dann spürte ich, wie sich ihr Kopf bewegte. »Wo ist Merlin?« fragte sie mit der Stimme eines Kindes.
    »Hier in Britannien«, antwortete ich.
    »Dann müssen wir gehen.« Sie löste die Arme von meinem Hals und hockte sich auf die Schenkel, damit sie mir ins Gesicht sehen konnte. »Ich habe geträumt, daß du kommen würdest«, sagte sie.
    »Ich liebe dich«, sagte ich. Eigentlich hatte ich das nicht sagen wollen, aber es war die Wahrheit.
    »Deswegen bist du hergekommen«, stellte sie fest, als läge das auf der Hand.
    »Hast du etwas zum Anziehen?« fragte ich sie.
    »Ich habe deinen Mantel«, gab sie zurück. »Mehr brauche ich nicht. Nur deine Hand.«
    Ich kroch zur Höhle hinaus, steckte Hywelbane in die Scheide zurück und wickelte ihren bleichen, zitternden Körper in meinen grünen Mantel. Sie schob einen Arm durch einen Riß
    in dem zerfetzten Wollstoff, und dann gingen wir Hand in Hand zwischen den Knochenhaufen hindurch und kletterten den Berg zu den Meermenschen hinauf, die dort warteten und uns beobachteten. Als wir den Gipfel der Klippe erreicht hatten, machten sie uns Platz

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