Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
Hirschgeweih, von dem in langen Fetzen gegerbte
Menschenhaut herunterhing.
Dem Häuptling war die Liebe der Sachsen zu Fellen eigen; eine sehr vernünftige Liebe, denn es gab nicht viel, was einen Schwertstreich so wirksam aufhalten kann wie ein dichter, dicker Pelz. Dieser Mann trug einen schweren schwarzen Fellkragen um den Hals und Fellstreifen um Oberarme und Oberschenkel. Der Rest seiner Kleidung bestand aus Leder und Wolle: Koller, Hose, Stiefel und ein Lederhelm mit einem schwarzen Fellbüschel als Helmzier. An der Hüfte hing ihm ein Langschwert, in der Hand hielt er die Lieblingswaffe der Sachsen, die breitblättrige Axt.
»Habt ihr euch verirrt, wealhas ?« rief er. Wealhas war das sächsische Wort für uns Briten. Es bedeutet Fremde und klingt ebenso verächtlich wie unser Wort Sais für sie. »Oder seid ihr lebensmüde?« Breitbeinig, mit erhobenem Haupt, die Axt auf der Schulter, stand er vor uns auf unserer Straße. Er hatte einen braunen Bart und dichtes braunes Haar, das struppig unter dem Rand seines Helmes hervorstand. Seine Männer, einige mit Eisenhelmen, andere in Leder und fast alle mit Äxten bewaffnet, bildeten quer über die Straße einen Schildwall. Einige führten riesige Hunde an der Leine, Bestien von der Größe eines Wolfs, und wie wir hörten, setzten die Sais seit neuestem solche Hunde als Waffen ein - sie hetzten sie, kurz bevor sie mit Axt und Speer angriffen, auf unsere Schildwälle. Diese Hunde jagten einigen von unseren Männern weit mehr Angst ein als die Sachsen.
Ich trat neben Arthur nach vorn. Wenige Schritte vor den streitbaren Sachsen machten wir halt. Keiner von uns trug Speer oder Schild, und unsere Schwerter ruhten in ihren Scheiden. »Mein Lord«, begann ich auf sächsisch, »ist Arthur, Protektor von Dumnonia, und er kommt in Frieden.«
»Für den Moment«, antwortete der Mann, »gehört der Friede euch, aber nur für den Moment.« Er sagte es herausfordernd, war aber beeindruckt von Arthurs Namen und musterte meinen Lord lange und neugierig, bevor sein Blick zu mir zurückkehrte. »Bist du Sachse?« fragte er mich.
»Ich wurde als Sachse geboren. Jetzt bin ich Brite.«
»Kann ein Wolf zur Kröte werden?« fragte er finster. »Warum wirst du nicht wieder Sachse?«
»Weil ich in Arthurs Diensten stehe«, sagte ich, »und heute ist es meine Aufgabe, Eurem König ein reiches Goldgeschenk zu bringen.«
»Für eine Kröte«, sagte der Mann, »brüllst du gut. Ich bin Therdig.«
Ich hatte noch nie von ihm gehört. »Euer Ruhm«, sagte ich,
»verursacht unseren Kindern Alpträume.«
Er lachte. »Gut gesprochen, Kröte. Also, wer ist unser König?«
»Aelle«, sagte ich.
»Ich habe nichts gehört, Kröte.«
Ich seufzte. »Der Bretwalda Aelle.«
»Gut gesprochen, Kröte«, sagte Therdig. Wir Briten erkennen den Titel Bretwalda nicht an, doch ich benutzte ihn, um den Sachsenhäuptling zu beschwichtigen. Arthur, der nichts von unserem Wortwechsel verstand, wartete geduldig, bis ich bereit war zu übersetzen. Er vertraute den Menschen, die er ernannte, und würde mich weder zur Eile drängen noch sich einmischen.
»Der Bretwalda«, sagte Therdig, »befindet sich einige Stunden von hier. Kannst du mir einen Grund nennen, Kröte, warum ich ihm den Tag verderben soll mit der Nachricht, daß eine Seuche von Ratten, Mäusen und Maden in sein Land gekrochen kam?«
»Wir bringen dem Bretwalda mehr Gold, als Ihr Euch träumen laßt, Therdig«, sagte ich. »Gold für Eure Männer, für Eure Weiber, für Eure Töchter, sogar genug für Eure Sklaven. Reicht das als Grund?«
»Zeig's mir, Kröte!«
Es war ein Risiko, doch Arthur war bereit, es einzugehen. Also kehrten wir mit, Therdig und sechs seiner Männer zu den Mulis zurück und zeigten ihnen den immensen Schatz, den die Säcke enthielten. Das Risiko bestand darin, daß Therdig möglicherweise entschied, der Schatz sei es wert, hier und jetzt darum zu kämpfen, aber wir waren in der Überzahl, und der Anblick von Arthurs Männern auf ihren mächtigen Rossen war eine wirksame Abschreckung. Also nahm er sich lediglich drei Goldmünzen und versprach, dem Bretwalda unsere Ankunft zu melden. »Ihr werdet bei den Steinen warten«, wies er uns an. »Seid gegen Abend dort; mein König wird dann am Morgen zu euch kommen.« Diesem Befehl entnahmen wir, daß Aelle von unserer Ankunft verständigt worden war und offenbar auch erraten hatte, was wir wollten. »Ihr könnt in Frieden bei den Steinen warten«, erklärte uns Therdig.
Weitere Kostenlose Bücher