Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
»Bis der Bretwalda über euer Schicksal entscheidet.«
An jenem Abend - denn es dauerte den ganzen Nachmittag, bis wir die Steine erreichten - sah ich zum erstenmal den großen Ring. Merlin hatte oft davon gesprochen, und Nimue hatte von ihrer Kraft gehört, doch niemand wußte, wer sie gemacht hatte oder warum die großen, behauenen Steine in diesem riesigen Kreis angeordnet waren. Nimue war davon überzeugt, daß nur die Götter so etwas zustande gebracht haben könnten, deswegen intonierte sie Gebete, als wir uns den grauen, einsamen Monolithen näherten, deren
Abendschatten sich dunkel und lang über die bleichen Wiesen erstreckten. Ein Graben umgab die Steine, die zu einem weiten Kreis aus Säulen angeordnet waren, auf denen andere Steine quer auflagen, während innerhalb dieser massiven, wuchtigen Arkade wieder andere senkrechte Steine dicht an dicht einen Felsplattenaltar umstanden. Es gab viele Steinkreise in Britannien, manche im Umfang sogar größer, aber keinen, der so geheimnisvoll und majestätisch wirkte. Stumm und ehrfürchtig näherten wir uns ihm.
Nimue murmelte ihre Bannsprüche, und als sie uns erklärte, wir könnten den Graben gefahrlos überqueren, wanderten wir kurz darauf voll Staunen zwischen diesen Steinen der Götter einher. Die Steine, einige im Laufe der zahllosen Jahre eingesunken oder sogar umgekippt, waren dicht mit Flechten überzogen, während andere mit eingekratzten römischen Namen und Zahlen bedeckt waren. Herr dieser Steine war Gereint gewesen, ein Amt, das Uther geschaffen hatte, um den Mann zu belohnen, der dafür verantwortlich war, daß
unsere Ostgrenze gegen die Sachsen gehalten werden konnte. Nun würde ein neuer Mann den Titel annehmen und versuchen müssen, Aelle über das niedergebrannte Durocobrivis hinaus zurückzutreiben. Es sei eine Schande, erklärte mir Nimue, daß Aelle verlangt hatte, sich hier mit uns zu treffen, so tief in unserem Dumnonia.
In einem Tal eine Meile weiter südlich gab es ein Waldstück, darum konnten wir mit unseren Mulis genügend Holz herbeischaffen, um ein Feuer zu entfachen, das die ganze geisterhafte Nacht hindurch brannte. Unmittelbar hinter dem östlichen Horizont leuchteten weitere Feuer: Beweis dafür, daß die Sachsen uns gefolgt waren. Es war eine unruhige Nacht. Unser Feuer loderte wie ein Feuer zu Beltane, aber die Schatten auf den Steinen ängstigten uns dennoch. Daß Nimue den ganzen Graben mit Bannsprüchen belegte, beruhigte zwar unsere Männer, die angeleinten Pferde jedoch wieherten und stampften die ganze Nacht. Arthur vermutete, daß sie die sächsischen Kampfhunde witterten, aber Nimue war sicher, daß die Geister der Toten überall um uns schwebten. Unsere Wachtposten packten ihre Speerschäfte fester und riefen jeden Windstoß an, der über die Grabhügel im Umkreis der Steine seufzte, und obwohl weder Hund noch Geist, noch Krieger kam, um uns zu stören, konnten nur wenige von uns schlafen.
Arthur konnte überhaupt nicht schlafen. Irgendwann, mitten in der Nacht, bat er mich, mit ihm spazierenzugehen, und ich schritt mit ihm, der barhäuptig unter den Sternen ging, um den äußeren Kreis der Gigantensteine herum. Eine Weile wanderten wir wortlos dahin. Plötzlich brach er das Schweigen. »Ich war schon einmal hier«, sagte er.
»Wann, Lord?«
»Vor zehn Jahren. Oder auch elf.« Er zuckte die Achseln, als wäre die Anzahl der Jahre unwichtig. »Merlin hat mich hergebracht.« Dann verstummte er wieder, und ich schwieg ebenfalls, denn ich entnahm seinen letzten Worten, daß dieser Ort einen besonderen Platz in seinen Erinnerungen einnahm. Und das stimmte, denn er blieb stehen und zeigte auf den grauen Felsen, der wie ein Altar in der Mitte des Steinkreises lag. »Hier war es, Derfel. Hier hat Merlin mir Caledfwlch gegeben.«
Ich senkte den Blick auf die kreuzweise verzierte Schwertscheide. »Ein kostbares Geschenk, Lord«, sagte ich.
»Und ein schweres, Derfel. Es brachte mir eine schwere Last.« Er zog an meinem Arm, und wir setzten unseren Weg fort. »Er gab es mir unter der Bedingung, daß ich tue, was er mir befehle, und ich gehorchte ihm. Ich ging nach Benoic und lernte von Ban die Pflichten eines Königs. Ich lernte, daß ein König nur so gut ist wie der ärmste Mensch in seinem Land. Das war Bans Lektion.«
»Aber eine, die Ban selbst nicht gelernt hat«, erwiderte ich bitter und dachte daran, wie Ban seine Untertanen mißachtet hatte, um Ynys Trebes zu bereichern.
Arthur lächelte. »Manche Männer
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