Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
neun Straßen der Stadt wie steinere Wasserläufe in der Trockenzeit wirkten. Es war schwer, auf ihnen zu gehen, und Nimue und ich mußten lachen, wenn wir sahen, wie die Pferde mit den glatten Steinen fertig zu werden trachteten. Die Häuser waren nicht weniger fremdartig als die Straßen. Wir bauten unsere Höfe und Häuser aus Holz, Dachstroh, Lehmbatzen und
Flechtwerk, doch diese römischen Bauten waren alle miteinander verbunden und bestanden aus Steinen und sonderbar schmalen Ziegeln. Einige Häuser waren im Laufe der Jahre eingestürzt und hatten Lücken in den langen Reihen der niedrigen Häuser hinterlassen, die seltsamerweise mit gebrannten Lehmziegeln gedeckt waren. Die ummauerte Stadt, die eine Furt des Severn bewachte, befand sich zwischen zwei Königreichen und ganz in der Nähe eines dritten und war dadurch zu einem berühmten
Handelsknotenpunkt geworden. In den Häusern arbeiteten Töpfer, Goldschmiede beugten sich über ihre Tische, Kälber blökten auf den Schlachthöfen hinter dem Marktplatz, auf dem zahlreiche Landbewohner Butter, Nüsse, Leder, Räucherfisch, Honig, gefärbtes Tuch und frisch geschorene Wolle verkauften. Das Schönste von allem aber waren - wenigstens für meine geblendeten Augen - König Tewdrics Soldaten. Es waren Römer, jedenfalls behauptete Nimue das, oder wenigstens Briten, die von den Römern gelernt hatten, und alle trugen ihre Bärte kurz geschoren und waren einheitlich in kräftige Lederschuhe und wollene Beinlinge unter den kurzen Lederröckchen gekleidet. Die älteren Soldaten hatten Bronzeplatten auf ihren Röcken befestigt, und wenn sie ausschritten, klimperten diese Bronzeplatten wie Kuhglocken. Jeder Mann trug einen blankpolierten Brustpanzer, einen langen, rostroten Umhang und einen Lederhelm, der auf dem Kopf zu einem Kamm genäht worden war. Einige Helme waren mit gefärbten Federn geschmückt. Die Soldaten trugen kurze, breite Schwerter, lange Speere mit polierten Schäften und rechteckige Schilde aus Holz und Leder, auf denen Tewdrics Stiersymbol prangte. Die Schilde waren alle gleich groß, die Speere alle gleich lang, und die Soldaten marschierten im Gleichschritt. Für mich war das ein so außerordentlicher Anblick, daß ich anfangs lachen mußte, bis ich mich später daran gewöhnte.
In der Mitte der Stadt, wo die vier Straßen von den vier Toren auf einem geräumigen Platz zusammentrafen, stand ein weitläufiges, erstaunliches Gebäude. Selbst Nimue starrte es sprachlos an, denn kein lebendes Wesen konnte so etwas erbaut haben; so hoch, so weiß und mit so scharfen Kanten. Das hohe Dach wurde von Säulen gestützt, und auf der dreieckigen Fläche zwischen Dachfirst und oberen Säulenenden waren wundervolle Bilder in den weißen Stein gemeißelt worden, auf denen prächtige Männer ihre Feinde von den Hufen ihrer Pferde zertrampeln ließen. Diese Steinmänner trugen ganze Bündel von Steinspeeren und Steinhelme mit hochaufragenden Steinkämmen. Einige der Bilder waren heruntergefallen oder vom Frost zerborsten, aber sie wirkten dennoch wie ein Wunder auf mich, obwohl Nimue sie, nachdem sie sie aufmerksam betrachtet hatte, anspie, um das Böse zu bannen.
»Gefällt es dir nicht?« fragte ich sie verstimmt.
»Die Römer wollten Götter sein«, antwortete sie, »deswegen haben die Götter sie gedemütigt. Der Hohe Rat sollte nicht hier zusammenkommen.«
Aber der Hohe Rat war nun einmal nach Glevum gerufen worden, und Nimue konnte daran nichts ändern. Hier, im Schutz von römischen Wällen aus Erde und Holz, sollte das Schicksal von Uthers Königreich entschieden werden. Als wir die Stadt erreichten, war der Großkönig schon lange eingetroffen. Er wohnte in einem anderen hohen Gebäude, das der Säulenhalle am Marktplatz gegenüberlag. Er zeigte sich weder überrascht noch verärgert darüber, daß Nimue mitgekommen war - möglicherweise glaubte er, sie gehöre zu Morgans Gefolge -, und wies uns allen einen Raum ganz hinten im Haus zu, in den der Rauch aus den Küchen und das Gezanke der Sklaven drangen. Neben Tewdrics blitzblanken Mannen wirkten die Soldaten des Großkönigs schäbig. Unsere Soldaten trugen lange Haare und struppige Bärte, geflickte, ausgefranste Umhänge in den verschiedensten Farben sowie lange, schwere Schwerter, roh geschäftete Speere und runde Schilde. Im Vergleich zu Tewdrics sorgfältig gemalten Stieren wirkte Uthers Drachensymbol grobschlächtig.
Während der ersten beiden Tage wurde gefeiert. Die Champions der beiden
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