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Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Titel: Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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ganz allein mußt dich entscheiden. Es kann jedem von uns hier geschehen. Deswegen sammelt Merlin Findelkinder, denn er meint, Waisen könnten ganz spezielle Kräfte besitzen, aber das trifft nur auf sehr wenige zu.«
    »Aber auf dich«, stellte ich fest.
    »Ich sehe die Götter überall«, sagte Nimue schlicht. »Und sie sehen mich.«
    »Ich habe noch nie einen Gott gesehen«, antwortete ich bockig.
    Sie lächelte über meinen Groll. »Das wirst du schon noch«, sagte sie. »Du mußt dir Britannien als eine mit wehenden Nebelbändern geschmückte Frau vorstellen, Derfel. Nur ein paar dünne Nebelstreifen hier und da, die davontreiben und sich auflösen. Aber diese Streifen sind die Götter, und wenn wir sie finden und sie erfreuen können, wenn wir ihnen das Land wieder übergeben können, werden diese dünnen Streifen stärker werden und sich zu einem einzigen, wundervollen Nebel verdichten, der das ganze Land bedeckt und uns vor allem beschützt, was außerhalb liegt. Deswegen leben wir hier, auf dem Tor. Merlin weiß, daß die Götter diesen Ort lieben, und hier ist der heilige Nebel auch dicht, aber unsere Aufgabe ist es, ihn zu verbreiten.«
    »Ist Merlin deswegen unterwegs?«
    Sie lächelte. »In diesem Augenblick, Derfel, schläft Merlin. Und das muß ich jetzt ebenfalls tun. Hast du irgendwelche Aufgaben zu erfüllen?«
    »Pachtzins ausrechnen«, antwortete ich verlegen. Die unteren Speicher füllten sich mit Räucherfisch, Bleibarren, Wannen voll Holzkohle und sogar ein paar seltenen Stücken Bernstein und Jett: die Winterpacht, die an Beltane fällig war und die Hywel schätzen, in Warenlisten eintragen und in Merlins Anteil und jenen teilen mußte, der den Steuereinnehmern des Großkönigs auszuhändigen war.
    »Dann geh und zähle«, sagte Nimue, als wäre nichts Besonderes zwischen uns geschehen, beugte sich aber vor und gab mir einen schwesterlichen Kuß. »Nun geh schon«, sagte sie, und ich verließ Merlins Gemach, um mich den vorwurfsvollen, neugierigen Blicken von Norwennas Damen auszusetzen, die in die große Halle zurückgekehrt waren. Bald darauf entzündeten wir die großen Beltane-Feuer. Unsere Flammen loderten in der Finsternis, um der wiedererwachenden Welt neues Leben zu bringen. Fern im Osten wurden die ersten sächsischen Plünderer gesichtet, doch keiner gelangte in die Nähe von Ynys Wydryn. Auch Gundleus von Siluria sahen wir nicht wieder. Gudovan, der Schreiber, vermutete, der Heiratsantrag sei abgelehnt worden, und sagte düster einen erneuten Krieg gegen die nördlichen Königreiche voraus.
    Merlin kehrte nicht zurück, und wir erhielten auch keine Nachricht von ihm.
    Kronprinz Mordred bekam Zähne. Die ersten zeigten sich im Unterkiefer - Omen für ein langes Leben -, und Mordred benutzte sie sofort, um Rallas Brustwarzen blutig zu beißen; dennoch fuhr sie fort, ihn zu stillen, damit ihr eigener, gut gepolsterter Sohn mit der Muttermilch Prinzenblut trinken konnte. Je länger die Tage wurden, desto munterer wurde Nimue. Die Narben an unseren Händen verblaßten von Rosa zu Weiß und waren dann nur noch als Schattenlinien zu sehen. Nimue erwähnte sie nie wieder.
    Als der Großkönig eine Woche auf Caer Cadarn verbrachte, wurde der Edling dorthin geschafft, damit der Großvater ihn in Augenschein nehmen konnte. Uther mußte das, was er sah, gefallen haben, und die Frühlingszeichen standen allesamt günstig, denn drei Wochen nach Beltane erfuhren wir, daß die Zukunft des Königreichs, die Zukunft Norwennas und die Zukunft des Kindes Mordred von einem Hohen Rat
    entschieden werden würde, dem ersten, der nach mehr als sechzig Jahren in Britannien einberufen wurde.
    Es war Lenz, die Bäume grünten, und die Menschen in diesem Land waren von hochgespannten Erwartungen erfüllt.

    Der Hohe Rat tagte in Glevum, einer römischen Stadt am Severn-Fluß, unmittelbar hinter Dumnonias nördlicher Grenze zu Gwent. Uther wurde mit einem von vier Ochsen gezogenen Karren dorthin gebracht. Die Zugtiere waren mit Maizweigen geschmückt und mit grünen Schabracken bedeckt. Der Großkönig genoß die langsame Reise durch sein
    frühsommerliches Königreich - vielleicht weil er wußte, daß er Britanniens ganze Schönheit zum letzen Mal sah, bevor er durch Cruachans Höhle und über die Schwerterbrücke in die Anderwelt hinüberging. In den Rainhecken, zwischen denen seine Ochsen einherstapften, leuchteten die Weißdornblüten, die Wälder waren mit Glockenblumen geschmückt, und zwischen den

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