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Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Titel: Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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den Eindruck machte, als wäre sein Träger ein lebender Leichnam. Sein Mantel, den er mit größter Sorgfalt pflegte, war genauso schneeweiß wie seine Helmzier und hing von seinen Schultern herab, um sein langes Schuppenpanzerhemd vor der Sonne zu schützen. Bis dahin hatte ich noch nie einen
    Schuppenpanzer gesehen, doch Hywel hatte mir davon erzählt, und als ich Arthur darin sah, erwachte in mir der heiße Wunsch, auch so ein Panzerhemd zu besitzen. Es war römisch und bestand aus Hunderten winziger Eisenplättchen, kaum größer als ein Daumenabdruck, die in überlappenden Reihen auf ein knielanges Lederhemd genäht waren. Die Plättchen waren oben, wo sie zwei Löcher für den Nähfaden hatten, breit, liefen nach unten spitz zu und überlappten sich so, daß eine Speerspitze stets auf mindestens zwei Schichten Eisen traf, bevor sie auf das Leder darunter stieß. Wenn Arthur sich bewegte, klirrte die steife Rüstung, und es war nicht nur Eisen, was da klirrte, denn seine Schmiede hatten am Hals eine Reihe goldener Plättchen eingefügt und über die ganze Fläche des polierten Eisens Silberplättchen verteilt, so daß der ganze Waffenrock zu schimmern schien. Um zu verhindern, daß das Eisen rostete, mußte die Rüstung Tag für Tag stundenlang geputzt werden, und da nach jeder Schlacht einige Plättchen fehlten, mußte ein Schmied immer wieder neue anfertigen. Aber nur wenige Schmiede verstanden sich auf die Herstellung eines solchen Panzerhemdes, und nur sehr wenige Männer konnten es sich leisten, ein solches zu bezahlen. Arthur hatte das seine einem fränkischen Häuptling abgenommen, den er in Armorica getötet hatte. Außer Helm, Mantel und Schuppenhemd trug er Lederstiefel,
    Lederhandschuhe und einen Ledergurt, an dem Excalibur in seiner kreuzweise verzierten Scheide hing, die ihren Träger angeblich vor allem Schaden schützte.
    Auf mich, der ich von seiner Ankunft geblendet war, wirkte er wie ein weißer, schimmernder Gott, der auf die Erde herabgestiegen war. Ich konnte den Blick nicht von ihm wenden.
    Als er Owain umarmte, hörte ich die beiden Männer lachen. Owain war ein hochgewachsener Mann, aber Arthur stand ihm an Größe nicht nach, obwohl er bei weitem nicht so kräftig gebaut war wie der Champion. Owain bestand nur aus Muskeln und Masse, während Arthur schlank und drahtig war. Owain versetzte Arthur einen Schlag auf den Rücken, den Arthur freundschaftlich erwiderte, dann gingen die beiden Männer, einer den Arm um die Schultern des anderen gelegt, zu Ralla hinüber, die Mordred hielt.
    Arthur fiel vor seinem König auf die Knie, streckte die behandschuhte Rechte aus und hob mit einer für einen Mann in dieser steifen, schweren Rüstung erstaunlichen Behutsamkeit den Saum des Gewandes, das der Säugling trug. Er schob den mit Scharnieren befestigten Wangenschutz des Helms zurück und küßte den Stoff des Gewandes. Mordred reagierte darauf, indem er zu schreien und zu strampeln begann.
    Arthur erhob sich und streckte die Arme nach Morgan aus. Sie war älter als ihr Bruder, der erst fünf-oder sechsundzwanzig Jahre alt war, doch als er sie in die Arme nahm, begann sie hinter ihrer Goldmaske, die bei der Umarmung leicht gegen Arthurs Helm stieß, bitterlich zu weinen. Er hielt sie fest an sich gedrückt und tätschelte ihr den Rücken. »Liebste Morgan«, hörte ich ihn sagen, »meine liebe, süße Morgan!«
    Mir war nie richtig klargeworden, wie einsam Morgan war, bis ich sah, wie sie in den Armen ihres Bruders in Tränen ausbrach.
    Behutsam löste er sich aus ihrem Griff, dann nahm er sich mit beiden behandschuhten Händen den silbergrauen Helm vom Kopf. »Ich habe ein Geschenk für dich«, erklärte er Morgan,
    »das heißt, falls Hygwydd es nicht gestohlen hat. He, Hygwydd, wo steckst du?«
    Hygwydd, der Schildknappe, kam herbeigelaufen, um den Helm mit dem weißen Federbusch in Empfang zu nehmen, während er Arthur einen Schmuck aus Bärenfängen übergab, die, in Gold gefaßt, an einer goldenen Kette hingen. Liebevoll streifte Arthur sie seiner Schwester über den Kopf. »Nur das Schönste für meine bezaubernde Schwester«, sagte er dabei. Dann wollte er wissen, wer Ralla sei, und als er vom Tod ihres Sohnes hörte, verriet seine Miene einen so großen Schmerz und ein so tiefes Mitgefühl, daß Ralla in Tränen ausbrach. Arthur schloß sie spontan in die Arme und zerdrückte dabei fast den königlichen Säugling an seiner schuppengepanzerten Brust. Anschließend wurde ihm Gwlyddyn

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