Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
niemals so stattfinden können, wie ich sie beschrieben habe. Hätte Owain nicht gewußt, daß Arthur in der Nähe war, hätte er den Säugling Mordred seinem schnellsten Reiter anvertraut und ihn losgeschickt, um das Kind in Sicherheit zu bringen, selbst wenn das bedeutet hätte, daß wir anderen Gundleus'
Speeren zum Opfer fielen. Diese Wahrheit hätte ich natürlich aufschreiben können, aber die Barden lehrten mich, wie man eine Erzählung so gestaltet, daß die Zuhörer auf den Teil warten, den sie hören wollen, und ich finde, daß die Erzählung besser wirkt, wenn man die Nachricht von Arthurs Eintreffen bis zur allerletzten Minute hinauszögert. Eine Geschichte nach eigenem Gutdünken zu gestalten ist eine läßliche Sünde, obwohl Sansum sie mir, weiß Gott, niemals verzeihen würde. Hier in Dinnewrac ist noch immer Winter, und es ist bitterkalt. Nachdem wir Bruder Aron jedoch erfroren in seiner Zelle gefunden haben, hat König Brochvael Sansum befohlen, unsere Feuer anzuzünden. Diesem Befehl widersetzte sich der Heilige, bis der König uns von seinem Caer Feuerholz schickte, und so haben wir nun endlich Feuer, wenn auch nicht viele, und ganz gewiß keine großen. Immerhin, auch ein kleines Feuer erleichtert das Schreiben, und der heilige Sansum, er sei gesegnet, hat sich in letzter Zeit als etwas weniger lästig erwiesen. Zwei Novizen haben sich unserer kleinen Herde angeschlossen, Knaben noch vor dem Stimmbruch, und Sansum hat die Aufgabe übernommen, sie in der Lehre unseres heiligsten Heilands zu unterweisen. So eingehend kümmert sich der Heilige um ihre unsterblichen Seelen, daß er sogar darauf besteht, die Knaben müßten seine Schlafzelle teilen, und ihre Gesellschaft scheint einen zufriedeneren Menschen aus ihm gemacht zu haben. Dafür sei Gott gedankt, dafür und für das Geschenk des Feuers - und für meine Kraft, mit dieser Erzählung von Arthur fortzufahren, von Arthur, dem »König, der niemals war«, dem Feind Gottes und unserem Herrn der Schlachten.
Ich werde euch nicht mit den Einzelheiten jener Schlacht vor dem Caer Cadarn langweilen. Obwohl es im Grunde gar keine Schlacht war, sondern eine ungeordnete Flucht, und nur eine Handvoll Silurier entkamen. Einer von denen, die fliehen konnten, war Ligessac, der Verräter. Die meisten Männer des Gundleus aber wurden gefangengenommen. Zwanzig Feinde fielen, darunter die beiden nackten Kämpfer. Owain streckte sie mit seinem Kriegsspeer nieder. Gundleus, Ladwys und Tanaburs wurden lebend gefangen. Ich persönlich tötete niemanden. Nicht einmal eine Scharte trug meine
Schwertschneide davon.
Auch an das Scharmützel erinnerte ich mich nicht genau, denn ich konnte immer nur Arthur anstarren.
Er saß auf Llamrei, seiner Stute, einem riesigen schwarzen Streitroß mit zottigem Fesselhaar und flachen Hufeisen, die mit Lederriemen unter die Hufe gebunden waren. Arthurs Männer ritten alle so große Pferde, denen man die Nüstern zu geblähten Öffnungen aufgeschlitzt hatte, damit sie besser atmen konnten. Noch unheimlicher wirkten diese Tiere durch die außergewöhnlichen Schilde aus versteiftem Leder, die ihre Brustregion vor Speerstößen schützen sollten. Diese Schilde waren so dick und hinderlich, daß die Pferde nach der Schlacht nicht die Köpfe zum Grasen senken konnten, daher befahl Arthur einem seiner Pferdeknechte, Llamrei die Montur abzunehmen, damit sie sich am Gras gütlich tun konnte. Jedes einzelne Pferd benötigte zwei Knechte: Der eine mußte sich um Lederschutz, Schabracken und Sattel kümmern, der andere das Pferd am Zügel herumführen, während ein dritter Bediensteter Schwert und Schild des Recken trug. Arthur besaß einen langen, schweren Speer namens Rhongomyniad, einen Schild, der Wynebgwrthucher hieß, aus Weidenbrettern bestand und mit gehämmertem Silber überzogen war, das poliert wurde, bis es spiegelte. An seiner Hüfte hingen das Messer namens Carnwenhau und das berühmte Schwert Excalibur in seiner schwarzen Scheide, die kreuzweise mit Golddraht bespannt war.
Sein Gesicht vermochte ich anfangs nicht zu sehen, denn sein Kopf steckte in einem Helm mit breitem Wangenschutz, der seine Züge verbarg. Der Helm, mit einem Schlitz für die Augen und einem dunklen Loch für den Mund, war aus poliertem, mit einem wirbelnden Silbermuster geschmücktem Eisen gearbeitet und trug eine Helmzier aus weißen Gänsefedern. Es lag etwas Tödliches in diesem bleichen Helm; er wirkte wie ein furchteinflößender Totenschädel, der
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