Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
vorgestellt. Er erzählte Arthur, wie ich den Silurier getötet hatte, um Mordred zu schützen. Da wandte sich Arthur auch an mich, um mir zu danken.
Dabei sah ich ihm zum erstenmal voll ins Gesicht. Es war ein durch und durch freundliches Gesicht. Das war jedenfalls mein erster Eindruck. Aber nein, so wünscht sich Igraine diesen Augenblick. In Wirklichkeit sah ich auf den ersten Blick nur Schweiß, Unmengen von Schweiß. Man schwitzt eben unmäßig, wenn man an einem heißen
Sommertag eine Eisenrüstung trägt. Nach dem Schweiß fiel mir jedoch gleich auf, wie freundlich er dreinblickte. Zu Arthur faßte man auf den ersten Blick Vertrauen. Deswegen gefiel er den Frauen ja auch so - nicht weil er so gut aussah, denn er war nicht übermäßig ansehnlich, sondern weil er jedem mit aufrichtigem Interesse und offensichtlichem Wohlwollen entgegentrat. Er hatte ein starkes, knochiges Gesicht, aus dem Begeisterung sprach, und einen dichten Schopf dunkelbrauner Haare, die, als ich ihn zum erstenmal sah, durch die Lederfütterung seines Helmes schweißnaß an seinem Kopf klebten. Seine Augen waren braun, die Nase war lang, das glattrasierte Kinn kräftig, aber am auffallendsten war sein Mund, der außergewöhnlich groß war und perfekte Zähne aufwies. Er war sehr stolz auf seine Zähne und reinigte sie täglich mit Salz, wenn er welches auftreiben konnte, sonst aber wenigstens mit Wasser. Es war ein großes und starkes Gesicht, aber was mich am tiefsten beeindruckte, das war der verschmitzte Humor in seinen Augen. Arthur strahlte Fröhlichkeit aus. Aus seinem Antlitz sprach eine Lebensfreude, die jeden sofort in den Bann zog. Damals und auch später fiel mir immer wieder auf, daß Männer und Frauen in Arthurs Gegenwart munterer wurden. Alle wurden optimistischer, es wurde mehr gelacht, und wenn er ging, senkte sich Trübsal auf die Menschen herab. Arthur war nicht etwa geistreich, er war kein Geschichtenerzähler, er war einfach Arthur, ein guter Mensch mit ansteckendem Selbstbewußtsein, starkem Willen und eisenharter Entschlossenheit. Diese Härte merkte man ihm nicht sofort an, auch Arthur suchte sie zu ignorieren, aber sie war da. Eine Unzahl von Gräbern auf vielen Schlachtfeldern zeugen davon.
»Gwlyddyn berichtet mir, daß du ein Sachse bist«, hänselte er mich.
»Herr«, war alles, was ich herausbrachte, als ich vor ihm auf die Knie sank.
Er beugte sich herab und hob mich bei den Schultern auf. Sein Griff war fest. »Ich bin kein König, Derfel«, sagte er, »du brauchst nicht vor mir in die Knie zu gehen. Viel eher müßte ich vor dir niederknien, weil du dein Leben aufs Spiel gesetzt hast, um unseren König zu schützen.« Er lächelte. »Dafür danke ich dir.« Er verstand es, einem das Gefühl zu verleihen, daß ihm kein anderer auf der Welt so viel bedeutete wie man selbst, und ich war ihm schon jetzt verfallen. »Wie alt bist du?«
fragte er mich.
»Fünfzehn, glaube ich.«
»Aber groß genug, um zwanzig zu sein.« Wieder lächelte er.
»Wer hat dich das Kämpfen gelehrt?«
»Hywel«, antwortete ich, »Merlins Verwalter.«
»Aha! Der beste Lehrer! Er hat auch mich einiges gelehrt. Und wie geht es dem guten Hywel?« Er fragte es so eifrig, daß ich weder die Worte noch den Mut fand, ihm zu antworten.
»Er ist tot«, antwortete Morgan an meiner Stelle. »Gundleus hat ihn erschlagen.« Durch den Mundschlitz ihrer Maske spie sie in Richtung auf den gefangenen König, der in einigen Schritten Entfernung festgehalten wurde.
»Hywel - tot?« Diese Frage richtete Arthur an mich und sah mich dabei durchdringend an. Doch als ich nickte und die Tränen zu schlucken versuchte, nahm Arthur mich sofort in die Arme. »Du bist ein tapferer Mann, Derfel«, versicherte er mir,
»und ich schulde dir eine Belohnung für die Rettung unseres Königs. Was wünschst du dir?«
»Ich möchte Krieger werden, Lord«, antwortete ich. Arthur lächelte und trat einen Schritt zurück. »Du bist vom Glück gesegnet, Derfel, denn du bist jetzt schon das, was du dir wünschst. Lord Owain?« Damit wandte er sich an den bulligen, tätowierten Champion. »Könnt Ihr diesen guten sächsischen Krieger brauchen?«
»Das kann ich«, stimmte ihm Owain sofort zu.
»Dann gehört er Euch«, sagte Arthur, aber er mußte meine Enttäuschung gespürt haben, denn er wandte sich noch einmal um und legte mir die Hand auf die Schulter. »Im Moment, Derfel«, sagte er dabei leise, »suche ich Reiter, keine Speerkämpfer. Nimm dir Owain jetzt
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