Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
sahen. Gelegentlich entdeckten wir noch warme Lagerfeuer, und einmal stießen wir auf eine kleine belgische Ansiedlung, die überfallen und
niedergebrannt worden war. Die Männer und die Alten waren noch dort, allesamt tot, die Jungen und die Frauen hatte man als Sklaven mitgenommen. Der Gestank der Toten dämpfte den Übermut der verbliebenen Landwehr. Als Griffid weiter nach Osten vordrang, blieben die Männer doch lieber dicht beieinander.
Auf die erste Kriegshorde der Sachsen stießen wir in einem breiten Flußtal, wo eine Gruppe der Eindringlinge damit beschäftigt war, eine Siedlung zu bauen. Als wir eintrafen, hatten sie bereits eine halbe Holzpalisade errichtet und die Holzpfeiler der Haupthalle aufgestellt, sobald wir jedoch am Waldrand auftauchten, ließen sie ihre Werkzeuge fallen und griffen zu den Speeren. Obwohl wir ihnen drei zu eins überlegen waren, konnte Griffid uns nicht dazu bewegen, ihre festgefügte, mit scharfen Speeren gespickte Schildreihe anzugreifen. Wir jüngeren Männer waren zwar kampflustig, und einige von uns tänzelten wie die Idioten vor den Sachsen herum, aber wir waren zu wenige, um ihre Reihe zu durchbrechen, und die Sachsen ignorierten unsere Herausforderungen, während die übrigen von Griffids Männern Met tranken und unseren Eifer verfluchten. Mir selbst, der ich unbedingt einen Kriegerring aus sächsischem Eisen erringen wollte, erschien es Wahnsinn, daß wir nicht angriffen, aber ich hatte noch nie das Blutvergießen erlebt, das beim Aufeinanderprall zweier Schildwälle entsteht, und ahnte noch nicht, wie schwer es ist, Männer zu veranlassen, sich diesem grausigen Vernichtungswerk auszusetzen. Griffid machte ein paar halbherzige Versuche, seine Männer anzuspornen, gab sich dann aber damit zufrieden, Met zu trinken und Beleidigungen hinüberzurufen. So lagen wir dem Feind drei Stunden oder länger gegenüber, ohne mehr als ein paar Schritte vorzurücken.
Griffids Furchtsamkeit gab mir wenigstens Gelegenheit, die Sachsen zu beobachten, die in Wahrheit gar nicht so anders aussahen als wir. Ihre Haare waren heller, ihre Augen blaßblau, ihre Haut war rosiger als die unsere, und sie schienen eine Menge Felle an ihrer Kleidung zu tragen; davon abgesehen kleideten sie sich wie wir, und der einzige Unterschied bei der Bewaffnung war, daß die meisten Sachsen ein Messer mit langer Klinge mitführten, das im Nahkampf gefährlich werden konnte, und daß viele von ihnen riesige, breite Streitäxte trugen, mit denen sie einen Schild mit einem Schlag zu spalten vermochten. Einige unserer eigenen Männer waren so beeindruckt von diesen Äxten, daß sie sich selbst ähnliche Waffen zulegten, doch Owain lehnte sie, genau wie Arthur, als viel zu schwerfällig ab. Mit einer Axt könne man nicht parieren, pflegte Owain zu sagen, und eine Waffe, mit der man zwar angreifen, sich aber nicht verteidigen kann, taugte in seinen Augen nichts. Die sächsischen Priester waren allerdings ganz anders als unsere eigenen heiligen Männer, denn diese fremden Hexenmeister trugen Tierfelle und verklebten sich die Haare mit Kuhdung, so daß sie wie Stacheln vom Kopf abstanden. An jenem Tag im Flußtal opferte einer dieser Sais-Priester eine Ziege, um zu entdecken, ob sie gegen uns kämpfen sollten oder nicht. Zuerst brach der Priester dem Tier ein Hinterbein, dann stach er es in den Hals und ließ es, das gebrochene Bein nachschleifend, davonlaufen. Blutend und schreiend schleppte es sich an der sächsischen Kampfreihe entlang, dann begann es auf uns zuzuhinken, bevor es im Gras zusammenbrach. Das war offenbar ein schlechtes Zeichen, denn der Widerstand der sächsischen Schildreihe erlahmte. Der Gegner zog sich durch die halbfertige Siedlung, über eine Furt und bis unter die Bäume zurück. Frauen, Kinder, Sklaven und Vieh nahmen sie mit. Wir nannten es einen Sieg, verspeisten die Ziege und rissen ihre Palisade ein. Beute gab es keine. Inzwischen war unsere Landwehr hungrig geworden, denn die Männer hatten, wie das so üblich ist, ihren gesamten Proviant schon in den ersten Tagen verbraucht und hatten nun außer den Haselnüssen, die sie von den Bäumen im Wald zupften, nichts mehr zu essen. Dieser Mangel an Lebensmitteln bedeutete, daß uns nichts anderes übrigblieb als der Rückzug. Die hungrige Landwehr, die möglichst schnell nach Hause zurückkehren wollte, marschierte voraus, während wir Krieger langsamer folgten. Griffid war mürrisch, denn er kehrte ohne Gold oder Sklaven zurück, obwohl er im
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