Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
Länder regiere. Da wurde mir zum erstenmal klar, daß sich die Sachsen, genau wie wir Briten, auch untereinander bekämpften. Wie es schien, hatte Cerdic seinen Krieg gegen Aesc gewonnen und versuchte nun nach Dumnonia vorzustoßen.
Die Frau, die Wlenca entdeckt hatte, hockte in der Nähe und zischte ihm wütende Drohungen zu, eine andere Frau jedoch erklärte, daß Wlenca sich an den Vergewaltigungen, die auf ihre Gefangennahme folgten, nicht beteiligt habe. Erleichtert, daß er nun doch mit ein wenig Beute nach Hause kam, ließ
Griffid Wlenca am Leben bleiben. Der Sachse wurde nackt ausgezogen, der Aufsicht einer Frau unterstellt und nach Westen in die Sklaverei mitgenommen.
Das war die letzte Expedition des Jahres, und obwohl wir sie zu einem großen Sieg erklärten, verblaßte sie doch neben Arthurs Erfolgen. Er hatte nicht nur Aelles Sachsen aus dem nördlichen Gwent vertrieben, sondern anschließend die Streitkräfte aus Powys besiegt und dabei König Gorfyddyd seines Schildarms beraubt. Der feindliche König war entkommen, aber es war dennoch ein großer Sieg, und ganz Gwent und Dumnonia hallten wider von den Lobgesängen auf Arthur. Owain war alles andere als glücklich.
Lunete dagegen war überglücklich. Ich hatte ihr so viel Gold und Silber gebracht, daß sie im Winter einen Bärenfellmantel tragen und sich eine eigene Sklavin leisten konnte, ein Kind aus Kernow, das Lunete in Owains Haus gesehen und gekauft hatte. Die Kleine arbeitete von morgens bis abends, um bei Nacht in ihrem Winkel der Hütte, die wir nun unser Heim nannten, bitterlich zu weinen. Wenn die Ärmste zu sehr weinte, wurde sie von Lunete geschlagen, und wenn ich sie verteidigen wollte, wurde ich von Lunete geschlagen. Owains Männer waren alle aus den überfüllten Kriegerquartieren von Caer Cadarn in die bequemere Siedlung Lindinis umgezogen, wo Lunete und ich innerhalb der niedrigen, von den Römern errichteten Erdwälle eine Hütte mit Strohdach und Wänden aus Lehm und Weidengeflecht bewohnten. Caer Cadarn war sechs Meilen entfernt und nur bewohnt, wenn ein Feind zu nahe rückte oder wenn ein großes königliches Ereignis gefeiert wurde. In jenem Winter erlebten wir ein solches Ereignis - am Tag von Mordreds erstem Geburtstag, als Dumnonias Probleme zufällig den kritischen Punkt erreichten. Aber vielleicht war es gar kein Zufall, denn Mordreds Leben stand unter schlechten Vorzeichen, und seine Proklamation konnte nur eine Tragödie zur Folge haben.
Die Zeremonie fand unmittelbar nach der Wintersonnenwende statt. Da Mordred zum König ausgerufen werden sollte, versammelten sich zu diesem Fest alle bedeutenden Männer von Dumnonia auf Caer Cadarn. Nimue kam einen Tag früher und besuchte uns in unserer Hütte, die Lunete zur Feier der Wintersonnenwende mit Stechpalmzweigen und Efeu
geschmückt hatte. Nimue trat über die Schwelle der Hütte, die mit Zeichen zur Abwehr böser Geister bedeckt war, dann setzte sie sich ans Feuer und schob die Kapuze ihres Umhangs zurück.
Ich lächelte, denn sie hatte ein goldenes Auge. »Es gefällt mir«, sagte ich.
»Es ist hohl«, gab sie zurück und klopfte sich
bestürzenderweise mit dem Fingernagel auf das Auge. Als Lunete die Sklavin anschrie, weil sie die Suppe aus Gerstensprossen anbrennen hatte lassen, zuckte Nimue bei diesem Wutausbruch zusammen. »Du bist nicht glücklich«, stellte sie fest.
»Bin ich doch«, behauptete ich, denn die Jugend gesteht nicht gern Fehler ein.
Nimue sah sich in dem unaufgeräumten, rauchgeschwärzten Innenraum unserer Hütte um, als wittere sie die Atmosphäre.
»Lunete ist nicht gut für dich«, sagte sie dann ruhig, während sie eine halbe Eierschale vom schmutzbedeckten Boden aufhob und zerdrückte, damit sich darin kein böser Geist verstecken konnte. »Dein Kopf ist in den Wolken, Derfel«, fuhr sie fort, während sie die Schalenreste ins Feuer warf. »Lunete dagegen ist erdgebunden. Sie will reich werden, und du willst Ehre erwerben. Das paßt nicht zusammen.« Sie zuckte die Achseln, als wäre das Ganze nicht so wichtig; dann berichtete sie mir das Neueste von Ynys Wydryn. Merlin war nicht zurückgekehrt, und niemand wußte, wo er war, aber Arthur hatte Geld geschickt, das er dem besiegten König Gorfyddyd abgenommen hatte, damit der Tor wiederaufgebaut werden konnte, und Gwlyddyn beaufsichtigte den Bau einer neuen und noch großartigeren Halle. Pellinore lebte noch, genau wie Druidan und Gudovan, der Schreiber. Norwenna, erzählte Nimue mir,
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