Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
Bach und starrte in das schwarze Wasser, das in jener trägen Stille dalag, die kurz vor dem Vereisen kommt. Das Wasser in den Rinderhufspuren am Rand des Tümpels war bereits gefroren.
»Was ist mit Arthur?« fragte ich. »Wird er uns nicht retten?«
Sie schenkte mir die Andeutung eines Lächelns. »Arthur ist für Merlin, was du für mich bist, Derfel. Arthur ist Merlins Schwert, aber keiner von uns kann euch kontrollieren. Wir verleihen euch Macht…« - sie streckte ihre vernarbte Linke aus und berührte den blanken Knauf meines Schwertgriffs - »und dann lassen wir euch gehen. Wir vertrauen darauf, daß ihr das Richtige tun werdet.«
»Mir kannst du vertrauen«, behauptete ich.
Sie seufzte, wie immer, wenn ich eine solche Behauptung aufstellte. Dann schüttelte sie den Kopf. »Wenn Britannien auf die Probe gestellt wird, Derfel - und das wird es -, wird keiner von uns wissen, als wie stark sich unser Schwert erweisen wird.« Damit wandte sie sich ab und blickte zu den Wällen von Caer Cadarn hinüber, auf denen die bunten Banner der Lords und Häuptlinge flatterten, die gekommen waren, um am folgenden Tag Mordreds Ausrufung zum König beizuwohnen.
»Toren«, sagte sie verbittert. »Toren.«
Arthur kam am nächsten Tag. Er traf kurz nach Tagesanbruch aus Ynys Wydryn ein, begleitet von Morgan und nur zweien seiner Krieger. Die drei Männer ritten ihre großen Schlachtrösser, trugen aber weder Rüstung noch Schilde, sondern nur Speer und Schwert. Nicht einmal sein Banner brachte Arthur mit. Er wirkte sehr gelassen, fast so, als wäre diese Zeremonie von keinerlei Interesse für ihn, als wäre er nur neugierig. Agricola, Tewdrics römischer Feldherr, war stellvertretend für seinen Lord gekommen, da dieser an einem Fieber litt, und auch Agricola schien sich nicht für die Zeremonie zu interessieren. Alle anderen auf Caer Cadarn waren jedoch nervös, weil sie fürchteten, die Zeichen des Tages könnten sich als schlecht erweisen. Fürst Cadwy von Isca mit seinen blau tätowierten Wangen war da. Fürst Gereint, der Lord der Steine, war von der sächsischen Grenze, König Melwas aus dem verfallenden Venta gekommen. Alle Edlen Dumnonias, über einhundert Mann, warteten in der Burg. Während der Nacht hatte es Schneeregen gegeben, so daß der Boden von Caer Cadarn schlammig und rutschig war. Das erste Tageslicht brachte jedoch einen kräftigen Westwind, und als Owain mit dem königlichen Kind aus der Halle trat, schien tatsächlich die Sonne auf die Hügel herab, die Caer Cadarns östliche Zufahrtswege umringten.
Morgan hatte den Zeitpunkt für die Zeremonie festgelegt und sich dabei nach den Vorzeichen von Feuer, Wasser und Erde gerichtet. Wie vorauszusehen, sollte sie am Morgen stattfinden, denn aus Handlungen, die bei sinkender Sonne ausgeführt werden, kann nichts Gutes entstehen. Die Menge mußte warten, bis Morgan entschied, daß der genaue Zeitpunkt unmittelbar bevorstand; erst dann konnte mit den Ritualen im Steinkreis auf Caer Cadarns Gipfel begonnen werden. Die Steine dieses Kreises waren nicht groß, keiner größer als ein gebücktes Kind. Genau in der Mitte, wo Morgan hantierte, um in der blassen Sonne ihre Berechnungen anzustellen, lag der Krönungsstein Dumnonias: ein flacher grauer Felsblock, von Tausenden anderen nicht zu unterscheiden, und dennoch hatten wir gelernt, daß der Gott Bel auf diesem Stein seinen menschlichen Sohn Beli Mawr, den Vorfahren aller dumnonischen Könige, gesalbt hatte. Sobald Morgan mit ihren Berechnungen fertig war, wurde Balise in die Mitte des Kreises geführt. Balise war ein uralter Druide, der in den Wäldern westlich des Caer Cadarn lebte und angesichts von Merlins Abwesenheit überredet worden war, den Segen der Götter herabzubeschwören. Er war eine gebeugte, völlig verlauste Kreatur, in Ziegenfelle und Lumpen gehüllt und so verdreckt, daß man kaum erkennen konnte, wo sein Bart endete und die Lumpen begannen, doch wie ich gehört hatte, war es Balise gewesen, der Merlin einen Großteil seiner Kenntnisse vermittelt hatte. Der Alte hob seinen Stab der wäßrigen Sonne entgegen, murmelte ein paar Gebete und spie dann in Sonnenlaufrichtung im Kreis, bevor er von einem schrecklichen Hustenanfall überwältigt wurde. Stolpernd kehrte er zu seinem Sessel am Rand des Kreises zurück, wo er keuchend sitzenblieb, während seine Begleiterin, eine alte Frau, die äußerlich kaum von Balise zu unterscheiden war, ihm mit schwächlichen Händen den Rücken massierte. Bischof
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