Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur
lächeln, als er vortrat, um mich zu umarmen. Er stützte sich mit seinem ganzen Gewicht auf meine Schultern, so daß ich hören konnte, wie der Atem in seiner Kehle rasselte. »Ich glaube«, flüsterte er mir ins Ohr, »von all meinen Söhnen seid Ihr der Beste. Also macht mir jetzt ein Geschenk. Schenkt mir einen guten Tod, Derfel, denn ich möchte in die Festhalle der echten Krieger einziehen.« Damit trat er schwerfällig zurück, stützte sich mit dem Körper auf sein Schwert und löste mühsam die Lederriemen seines Pelzumhangs. Als dieser sich öffnete, sah ich, daß seine gesamte linke Körperhälfte blutgetränkt war. Er hatte einen Speerstoß unter den Brustpanzer erhalten, während ein anderer Schlag ihn hoch an der Schulter getroffen hatte. Sein linker Arm hing nutzlos herab und er war gezwungen, seine verstümmelte Rechte zu benutzen, um die Lederriemen zu lösen, die seinen Brustpanzer an Taille und Schultern zusammenhielten. Er fingerte an den Schnallen herum, doch als ich vortrat, um ihm zu helfen, winkte er mich zurück. »Ich will es Euch leichter machen«, erklärte er, »doch wenn ich tot bin, legt meinem Leichnam den Brustpanzer wieder an. In der Festhalle werde ich die Rüstung brauchen, denn dort wird es viele Kämpfe geben. Kämpfe, gutes Essen und …« Wieder unterbrach er sich, weil ihn der Schmerz zerriß. Er knirschte mit den Zähnen und stöhnte laut, dann richtete er sich wieder auf und sah mich an. »Und nun tötet mich«, befahl er mir.
»Ich kann Euch nicht töten«, gab ich zurück, aber ich dachte an die Prophezeiung meiner wahnsinnigen Mutter, daß Aelle durch die Hand des eigenen Sohnes getötet werden würde.
»Dann werde ich Euch töten«, sagte er und hob ungeschickt das Schwert gegen mich. Ich wich dem Schlag mit einem Schritt rückwärts aus, so daß er stolperte und fast gefallen wäre, als er mir zu folgen versuchte. Keuchend hielt er inne und sah mich an. »Tut es Eurer Mutter zuliebe, Derfel«, bat er mich. »Wollt Ihr, daß ich auf dem Boden sterbe wie ein Hund? Bringt Ihr es nicht fertig, mir etwas zu schenken?«
Wieder schlug er mit dem Schwert nach mir, doch dieses Mal war die Anstrengung zuviel für ihn, und er begann zu wanken; ich entdeckte Tränen in seinen Augen, und da begriff ich, daß die Art seines Todes für ihn keine Bagatelle war. Er zwang sich, aufrecht zu bleiben, und strengte sich mit übermenschlicher Willenskraft an, das Schwert zu heben. Frisches Blut glänzte an seiner linken Seite, seine Augen wurden glasig, aber er hielt den Blick auf mich gerichtet, als er einen letzten Schritt vorwärts trat und einen kraftlosen Ausfall gegen meine Mitte wagte.
Gott vergebe mir, aber da stieß ich mit dem Speer zu. Ich legte mein ganzes Gewicht und meine ganze Kraft in den Stoß, so daß die schwere Klinge das Gewicht seines fallenden Körpers auffing und ihn noch senkrecht hielt, während sie seine Rippen durchstieß und tief bis in sein Herz drang. Ein furchtbarer Schauer durchzuckte ihn, auf sein sterbendes Gesicht trat ein Ausdruck grimmiger Entschlossenheit, und einen Herzschlag lang dachte ich schon, er werde sein Schwert für einen letzten Schlag heben, doch er vergewisserte sich lediglich, daß seine Rechte den Griff seines Schwertes fest umspannte. Dann fiel er zu Boden. Er war tot, bevor er auf der Erde aufschlug, aber das Schwert, sein ramponiertes, blutverkrustetes Schwert, lag immer noch fest in seiner Hand. Ein Stöhnen ging durch die Reihen seiner Männer. Einige von ihnen brachen in Tränen aus.
»Derfel?« sagte Igraine. »Derfel?«
»Lady?«
»Ihr seid eingeschlafen«, warf sie mir vor.
»Das Alter, meine liebe Lady«, gab ich zurück. »Nichts als das Alter.«
»Dann ist Aelle also in der Schlacht gefallen«, sagte sie energisch.
»Und Lancelot?«
»Das kommt später«, erklärte ich streng.
»Erzählt es mir jetzt«, verlangte sie.
»Das kommt später, hab ich gesagt«, gab ich zurück, »und ich hasse Geschichten, die ihren Ausgang früher erzählen als ihren Anfang.«
Einen Augenblick dachte ich, sie würde protestieren, statt dessen seufzte sie nur über meine Hartnäckigkeit, und fuhr mit ihrer Liste unbeendeter Fälle fort. »Was ist aus Liofa geworden, dem sächsischen Champion?«
»Er ist eines furchtbaren Todes gestorben«, antwortete ich.
»Gut!« quittierte sie meine Antwort mit interessierter Miene. »Erzählt es mir!«
»Es war eine Krankheit, Lady. Irgend etwas ließ seine Leiste anschwellen, so daß er weder
Weitere Kostenlose Bücher