Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur
schlugen sich unbeirrt einen Totenweg durch die wenigen sächsischen Speerkämpfer, die ihre Familien und Cerdics verlassene Bagage verteidigen wollten. Die Sachsenwachen starben, und das geplünderte Gold wurde verschüttet wie Spreu. Ich erinnere mich noch, daß sich der Staub wie Dunst erhob, ich erinnere mich an die Schreie von Frauen und Männern, Kindern und Hunden, die voll Schrecken davonliefen, an brennende Hütten, die Rauch ausspien, und immer wieder an Arthurs Schlachtrosse, die durch die allgemeine Panik donnerten, während die Speere hinabstießen und die feindlichen Speerkämpfer in den Rücken trafen. Es gibt kein Glück, das der Zerstörung eines feindlichen Heeres gleicht. Der Schildwall bricht, und der Tod regiert, und so töteten wir, bis unsere Arme zu müde waren, um ein Schwert zu heben, und als wir mit dem Töten fertig waren, standen wir in einem Meer von Blut, und das war der Zeitpunkt, da unsere Männer das Ale und den Met in der Bagage der Sachsen fanden und das allgemeine Trinken begann. Manche Sachsenfrauen fanden Schutz bei den wenigen Nüchternen unter unseren Männern, die für unsere Verwundeten Wasser vom Fluß
herauftrugen. Wir suchten nach lebenden Freunden und umarmten sie, wir fanden tote Freunde und weinten um sie. Wir erlebten das Delirium eines großen Sieges, wir teilten Tränen und Lachen, und ein paar Männer, genauso müde wie wir anderen, tanzten sogar vor Freude. Cerdic entkam. Er und seine Leibwachen brachen durch das ganze Chaos und erklommen die östlichen Hügel. Einige Sachsen schwammen südwärts durch den Fluß, während andere Cerdic folgten und einige sogar den Tod vortäuschten, um sich dann in der Nacht davonzuschleichen; die meisten aber blieben im Tal unter Mynydd Baddon und liegen dort bis zum heutigen Tag.
Denn wir hatten den Sieg davongetragen. Wir hatten die Felder am Fluß in ein Schlachthaus verwandelt. Wir hatten Britannien gerettet und Arthurs Traum erfüllt. Wir waren die Könige des Tötens und die Lords der Toten, und wir heulten unseren blutigen Triumph gen Himmel. Denn wir hatten die Macht der Sachsen gebrochen.
DRITTER TEIL
Nimues Fluch
K önigin Igraine saß an meinem Fenster. Sie las die letzten Pergamentbogen, fragte mich gelegentlich nach der Bedeutung eines sächsischen Wortes, machte sonst aber keine Bemerkungen. Sie überflog die Beschreibung der großen Schlacht; dann warf sie die Pergamente angewidert zu Boden. »Was ist aus Aelle geworden?« fragte sie mich ungehalten. »Und aus Lancelot?«
»Auf ihr Schicksal werde ich noch zu sprechen kommen, Lady«, antwortete ich ihr. Mit dem Stumpf meines linken Armes drückte ich eine Feder auf die Schreibtischplatte und schnitt die Spitze mit einem Messer zu. Die Späne blies ich auf den Boden. »Alles zu seiner Zeit.«
»Alles zu seiner Zeit«, spöttelte sie. »Ihr könnt eine Geschichte doch nicht ohne Schluß enden lassen, Derfel!«
»Sie wird einen Schluß bekommen«, versicherte ich ihr.
»Hier und jetzt braucht sie einen«, behauptete meine Königin. »Das ist doch der ganze Sinn von Geschichten. Weil es im wirklichen Leben keine saubere Lösung gibt, müssen die Geschichten eine bekommen.«
Ihr Leib ist jetzt sehr stark gewölbt, denn sie steht kurz vor der Entbindung. Ich werde für sie beten, und sie wird meine Gebete brauchen, denn allzu viele Frauen sterben bei der Geburt. Kühen bleibt dieses Schicksal ebenso erspart wie den Katzen, den Hündinnen, den Sauen, den Schafen, den Fähen und allen anderen Kreaturen, nur den Menschen nicht. Sansum behauptet, das sei so, weil Eva in Eden den Apfel gegessen und dadurch unser Paradies verloren hat. Frauen, predigt der Heilige, sind die Strafe Gottes für die Männer, Kinder seine Strafe für die Frauen. »Also, was ist aus Aelle geworden?« fragte Igraine streng.
»Er starb durch einen Speer«, sagte ich. »Genau hier hat er ihn getroffen.« Ich tippte auf meine Rippen unmittelbar über dem Herzen. Die Geschichte war natürlich länger, aber in diesem Moment hatte ich keine Lust, sie ihr zu erzählen, denn ich erinnerte mich nur ungern an den Tod meines Vaters, obwohl ich sie wohl aufschreiben muß, wenn meine Erzählung vollständig sein soll. Arthur hatte es seinen Männern überlassen, Cerdics Lager zu plündern, und war zurückgeritten, um zu sehen, ob Tewdrics Christen Aelles eingeschlossenes Heer endgültig besiegt hatten. Er fand die Reste jener Sachsen geschlagen, blutend und sterbend, aber immer noch trotzig
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