Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur
Widerstand leistend. Aelle persönlich war verwundet worden und konnte keinen Schild mehr halten, wollte aber dennoch nicht nachgeben. Statt dessen sammelte er seine Leibwachen sowie die letzten seiner Speerkämpfer um sich und wartete darauf, daß Tewdrics Soldaten kamen, um ihn zu töten. Die Speerkämpfer von Gwent zögerten, ihn anzugreifen. Ein in die Enge getriebener Feind ist gefährlich, und wenn er, wie Aelles Männer, noch über einen Schildwall verfügt, ist er doppelt und dreifach gefährlich. Zu viele Speerkämpfer von Gwent waren bereits gefallen, darunter der gute, alte Agricola; deswegen wollten die Überlebenden nicht noch einmal gegen die Schilde der Sachsen vordringen. Arthur hatte nicht darauf bestanden, daß sie diesen Versuch wagten, sondern mit Aelle verhandelt, und als Aelle die Kapitulation verweigerte, ließ
Arthur mich zu sich rufen. Als ich bei Arthur eintraf, dachte ich, er habe seinen weißen Mantel gegen einen dunkelroten eingetauscht, aber es war noch derselbe Mantel, nur so sehr mit Blut bespritzt, daß er wie rot gefärbt wirkte. Er begrüßte mich mit einer Umarmung und führte mich dann, den Arm um meine Schultern gelegt, in den leeren Raum zwischen den beiden Schildwällen. Ich erinnere mich, daß dort ein verendendes Pferd lag, und überall sah ich tote Männer, weggeworfene Schilde und zerbrochene Waffen. »Euer Vater will sich nicht ergeben«, erklärte mir Arthur, »aber vielleicht hört er auf Euch. Sagt ihm, daß er unser Gefangener sein, daß er aber in allen Ehren leben wird und seine Tage in Ruhe zubringen kann. Auch das Leben seiner Männer garantiere ich ihm. Er braucht nichts weiter zu tun, als mir sein Schwert zu übergeben.« Er betrachtete das kleine Häuflein der geschlagenen, eingeschlossenen Sachsen. Sie verhielten sich still. Wir dagegen hätten an ihrer Stelle gesungen, diese Speerkämpfer jedoch warteten schweigend auf den Tod. »Sagt ihnen, daß genug getötet wurde, Derfel«, verlangte Arthur.
Ich gurtete Hywelbane los, legte es mit Schild und Speer zusammen nieder und machte mich auf, meinem Vater gegenüberzutreten. Aelle wirkte erschöpft, gebrochen und schwer verletzt, aber er hinkte mir hocherhobenen Hauptes entgegen. Er hielt keinen Schild, trug aber ein Schwert in der verstümmelten Rechten. »Ich dachte mir schon, daß sie Euch holen würden«, grollte er. Die Schneide seines Schwertes trug tiefe Scharten, die Klinge war mit Blut verkrustet. Als ich Arthurs Angebot zu erklären begann, machte er eine abrupte Geste mit der Waffe. »Ich weiß, was er von mir will«, fiel er mir ins Wort, »er will mein Schwert. Aber ich bin Aelle, Bretwalda von Britannien. Ich liefere mein Schwert nicht aus.«
»Vater«, begann ich abermals.
»Ihr nennt mich König!« knurrte er.
Ich lächelte über seinen Trotz und neigte den Kopf. »Lord König, wir bieten Euren Männern das Leben an, und wir …«
Wieder schnitt er mir das Wort ab. »Wenn ein Mann in der Schlacht fällt«, sagte er, »geht er in ein gesegnetes Heim im Himmel ein. Aber wenn er in die große Festhalle eingehen will, muß er auf den Füßen sterben, mit dem Schwert in der Hand und seinen Wunden vorn.« Er hielt inne; als er dann weitersprach, klang seine Stimme weitaus sanfter.
»Ihr schuldet mir nichts, mein Sohn, aber ich würde es als Liebesdienst betrachten, wenn Ihr mir meinen Platz in dieser Festhalle verschafft.«
»Lord König«, sagte ich, er aber unterbrach mich zum viertenmal.
»Ich möchte hier begraben werden«, fuhr er fort, als hätte er nichts gehört, »mit den Füßen nach Norden und dem Schwert in der Hand. Weiter verlange ich nichts von Euch.« Er wandte sich zu seinen Männern um, und ich erkannte, daß er sich kaum aufrecht zu halten vermochte. Er mußte schwer verwundet sein, aber sein weiter Bärenfellumhang verbarg seine Wunde. »Hrothgar!« rief er einem seiner Speerkämpfer zu. »Gib meinem Sohn deinen Speer!« Ein hochgewachsener junger Sachse trat aus dem Schildwall heraus und streckte mir gehorsam den Speer entgegen. »Nehmt ihn!« fuhr Aelle mich an, und ich gehorchte. Hrothgar warf mir einen beunruhigten Blick zu und kehrte eilends zu seinen Kameraden zurück.
Als Aelle sekundenlang die Augen schloß, sah ich, daß eine Grimasse sein hartes Gesicht verzerrte. Unter dem Dreck und dem Schweiß war er leichenblaß, und als ihn abermals ein schrecklicher Schmerz durchzuckte, knirschte er mit den Zähnen, aber er widerstand dem Schmerz. Er versuchte sogar zu
Weitere Kostenlose Bücher