Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur
der ihn so glücklich machte.
»Und was ist mit Argante?« wollte Igraine wissen. »Ihr laßt immer so vieles aus, Derfel!«
»Zu Argante komme ich noch.«
»Aber ihr Vater war doch dort. War Oengus denn nicht ärgerlich darüber, daß Arthur zu Guinevere zurückkehrte?«
»Von Argante werde ich zu gegebener Zeit erzählen«, versprach ich ihr.
»Und Amhar und Loholt? Habt Ihr die beiden ganz vergessen?«
»Die sind entkommen«, antwortete ich. »Sie haben ein Boot gefunden und sind damit über den Fluß gepaddelt. Wir werden ihnen in dieser Geschichte wieder begegnen, fürchte ich.«
Igraine versuchte mir weitere Einzelheiten zu entlocken, doch ich bestand darauf, die Geschichte so zu erzählen, wie es mir richtig erschien – nicht schneller und nicht in anderer Reihenfolge. Schließlich ließ sie von ihren Fragen ab und bückte sich, um die beschriebenen Pergamente in den Lederbeutel zu sammeln, in dem sie die Blätter zum Caer zurückzutragen pflegte. Inzwischen fiel ihr das Bücken schwer, aber sie wollte sich nicht von mir helfen lassen. »Ich bin froh, wenn das Kind erst geboren ist«, gestand sie mir. »Meine Brüste sind entzündet, mir tun Beine und Rücken weh, und ich kann nicht mehr richtig gehen, sondern nur noch watscheln wie eine fette Gans. Brochvael hat das alles auch schon satt.«
»Kein Ehemann mag es, wenn seine Frau schwanger ist«, erklärte ich ihr.
»Dann sollten sie sich nicht so sehr anstrengen, uns den Bauch zu füllen«, gab Igraine schnippisch zurück. Sie hielt inne, um zu lauschen, als Sansum Bruder Llewellyn beschimpfte, weil dieser seinen Milcheimer im Durchgang stehengelassen hatte. Armer Llewellyn! Er ist Novize in unserem Kloster, und niemand arbeitet schwerer für weniger Dank, und nun wird er wegen dieses Eimers zu einer Strafe verurteilt, die ihm eine Woche lang täglich Prügel vom heiligen Tudwal einträgt, dem jungen Mann – das heißt, eigentlich ist er kaum mehr als ein Kind –, der zu Sansums Nachfolger erzogen wird. Unser ganzes Kloster lebt in Angst vor Tudwal, und nur ich allein vermag dank Igraines Freundschaft den schlimmsten seiner Sticheleien zu entrinnen. Sansum braucht die Protektion ihres Gemahls zu sehr, um Igraines Mißfallen auf sich zu ziehen.
»Heute morgen«, berichtete Igraine, »habe ich einen Hirsch ohne Geweih gesehen. Das ist ein schlechtes Zeichen, Derfel.«
»Wir Christen glauben nicht mehr an Zeichen«, antwortete ich.
»Aber ich sehe doch, wie Ihr den Nagel in Eurem Schreibtisch berührt«, wandte sie ein.
»Wir sind nicht immer gute Christen, Lady.«
Sie schwieg. »Ich habe Angst vor der Geburt«, sagte sie dann.
»Wir alle beten für Euch«, sagte ich und wußte natürlich, daß das eine unzureichende Antwort war. Aber ich hatte mehr getan, als nur in der kleinen Kapelle des Klosters zu beten. Ich hatte einen Adlerstein gesucht, ihren Namen hineingeritzt und ihn unter einer Esche vergraben. Wüßte Sansum, daß ich diesen uralten Zauber gewirkt hatte, würde er sofort vergessen, wie abhängig er von Brochvaels Protektion ist und dem heiligen Tudwal befehlen, mich einen Monat lang blutig zu schlagen. Aber wenn der Heilige wüßte, daß ich diese Geschichte von Arthur aufschreibe, würde er mich auch blutig schlagen lassen. Aber ich werde sie niederschreiben, und eine Zeitlang wird es mir leicht fallen, denn nun beginnt die glückliche Zeit, beginnen die vielen Jahre des Friedens. Daß sie zugleich Jahre der näher rückenden Finsternis waren, erkannten wir nicht, denn wir sahen nur den Sonnenschein und achteten nicht auf die Schatten. Wir glaubten die Schatten besiegt zu haben und daß von nun an ewig die Sonne in Britannien scheinen würde. Mynydd Baddon war Arthurs größter Sieg, eine einzigartige Leistung, und vielleicht sollte die Geschichte damit enden. Aber Igraine hatte recht, im Leben gibt es keine sauberen Lösungen, und deswegen muß ich fortfahren mit dieser Erzählung von Arthur, meinem Lord, meinem Freund und dem Retter von Britannien.
Arthur schenkte Aelles Männern das Leben. Sie legten ihre Speere nieder und wurden an die Sieger als Sklaven verteilt. Ich ließ mir von einigen helfen, ein Grab für meinen Vater auszuheben. Wir hoben die weiche, feuchte Erde am Fluß möglichst tief aus und betteten Aelle hinein – mit den Füßen nach Norden, dem Schwert in der Hand, dem Brustpanzer über dem durchbohrten Herzen, dem Schild quer über seinem Leib und dem Speer, der ihn getötet hatte, neben seinem Leichnam.
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