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Arztgeschichten

Arztgeschichten

Titel: Arztgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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machen ein Nickerchen. Wenn ich ausgeschlafen habe, können morgen meinetwegen hundertfünfzig Patienten kommen. Axinia, was gibt’s Neues?« Axinia saß vor der Tür und wartete auf das Ende der Badezeremonie.
    »Der Kontorist vom Gut Schalometjewo heiratet«, antwortete Axinia.
    »Was Sie sagen! Hat er sie rumgekriegt?«
    »Ist der verliebt«, trällerte Axinia und klapperte mit Geschirr.
    »Ist die Braut hübsch?«
    »Bildhübsch! Blond, schlank …«
    »Ist es die Möglichkeit!«
    In diesem Moment polterte es an der Tür. Ich begoß mich mürrisch mit Wasser und horchte.
    »Der Doktor badet«, trällerte Axinia.
    »Brumm … brumm …«, brummte eine Baßstimme.
    »Ein Brief für Sie, Doktor«, piepste Axinia durchs Schlüsselloch.
    »Reich ihn durch die Tür.«
    Ich kletterte fröstelnd und mit dem Schicksal hadernd aus dem Bottich und nahm aus Axinias Hand ein feuchtes Kuvert entgegen.
    »Denkste. Ich bleib in meinem Bottich. Bin schließlich auch ein Mensch«, sagte ich nicht sehr sicher zu mir und riß im Bottich den Brief auf.
    »Sehr geehrter Collega (großes Ausrufungszeichen). Ich flehe (unterstrichen) Sie an, sofort herzukommen. Eine Frau hat nach einer Kopfprellung Blutungen aus dem Nasen-Rachen-Raum (unterstrichen), aus Nase und Mund. Sie ist bewußtlos. Ich werde damit nicht fertig. Bitte kommen Sie. Die Pferde sind ausgezeichnet. Puls schlecht. Kampfer vorhanden. Doktor (Unterschrift unleserlich).«
    Ich hab kein Glück im Leben, dachte ich wehmütig mit einem Blick auf das lodernde Holz im Herd.
    »Hat den Brief ein Mann gebracht?«
    »Ja.«

    »Soll reinkommen.«
    Er trat ein und erschien mir wie ein alter Römer, denn er trug einen funkelnden Helm über der Ohrenmütze. Bekleidet war er mit einem Wolfspelz, und ein leichter Kältestrom traf mich.
    »Warum tragen Sie einen Helm?« fragte ich, meinen erst zur Hälfte gewaschenen Körper in ein Laken hüllend.
    »Ich bin Feuerwehrmann in Schalometjewo. Wir haben dort eine Feuerwehr«, antwortete der Römer.
    »Was ist das für ein Doktor, der mir da schreibt?«
    »Er ist zu Besuch bei unserm Agronomen. Ein junger Arzt. Wir haben ein Unglück, ein schlimmes Unglück …«
    »Wer ist die Frau?«
    »Die Braut des Kontoristen.«
    Axinia draußen stieß einen dumpfen Schrei aus.
    »Was ist passiert?« (Ich hörte ihren Körper gegen die Tür drängen.)
    »Gestern war die Verlobung, und danach wollte der Kontorist sie mit dem Schlitten spazierenfahren. Er hat einen Traber vorgespannt, sie hineingesetzt, und dann ab durchs Tor. Aber der Traber ist derartig losgerast, daß die Braut mit der Stirn gegen den oberen Balken prallte und aus dem Schlitten flog. So ein Unglück, es ist nicht zu sagen … Der Kontorist wird nicht aus den Augen gelassen, damit er sich nicht aufhängt. Er hat fast den Verstand verloren.«
    »Ich bade doch«, sagte ich kläglich, »warum habt ihr sie nicht hergebracht?« Dabei goß ich mir Wasser über den Kopf, das die Seife in den Bottich spülte.
    »Unmöglich, verehrter Bürger Doktor«, sagte der Feuerwehrmann gefühlvoll und faltete flehend die Hände, »ganz unmöglich. Es wäre ihr Tod.«
    »Wie kommen wir denn hin bei dem Schneesturm?«
    »Der hat schon nachgelassen. Was sag ich, aufgehört hat er. Die Pferde sind flink und hintereinandergespannt. In einer Stunde sind wir da.«
    Ich seufzte ergeben und entstieg dem Bottich. Wütend goß ich noch zwei Eimer Wasser über mich. Dann hockte
ich mich vor den Herd und steckte den Kopf in die Backröhre, um die Haare wenigstens etwas zu trocknen.
    Ich krieg bestimmt eine Lungenentzündung. Eine kruppöse, bei so einer Fahrt. Und vor allem, was mach ich mit dem Mädchen? Der Arzt dort hat ja noch weniger Erfahrung als ich, das sieht man schon an dem Brief. Ich weiß schon nichts, hab bloß das halbe Jahr praktische Erfahrung, aber er weiß noch weniger. Scheint gerade von der Universität zu kommen. Und mir traut er Erfahrung zu …
    Unter solchen Grübeleien hatte ich mich angezogen, ohne es recht gewahr zu werden. Die Kleidung war nicht einfach: Hose und Kittel, Filzstiefel, über dem Kittel die Lederjacke, dann ein Mantel und schließlich Schafpelz, Mütze, Tasche, darin Coffein, Kampfer, Morphium, Adrenalin, Gefäßklemmen, steriler Mull, Spritze, Sonde, Browning, Zigaretten, Streichhölzer, Uhr und Stethoskop.
    Als wir losfuhren, sah es gar nicht so schlimm aus, obwohl es schon dunkelte und der Tag zur Neige ging. Der Wind war nicht mehr so stark. Schräg, immer aus

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