Ascalon – Das magische Pferd, Band 2: Ascalon – Das magische Pferd. Das Geheimnis der Maya (German Edition)
erfüllte. In Geschichtsbüchern und Erzählungen mochte die Vergangenheit romantisch und geheimnisvoll erscheinen. Nachdem sie aber selbst erfahren hatte, was es bedeutete, dort zu leben, wollte sie sie um nichts auf der Welt gegen das Hier und Jetzt eintauschen.
Mit federndem Schritt trug Ascalon sie über die Wiese, vorbei an der alten Eiche auf den Stall zu. Das Tor stand immer noch offen. Muriel saß ab. Im schwachen Licht des Mondes, der durch eine Lücke zwischen den Wolken hervorschaute, führte sie Ascalon in den Stall. Drinnen war es warm und stickig. Muriel ließ das Tor offen stehen, um frische Luft hereinzulassen, aber auch, um besser sehen zu können. So mitgenommen, wie Ascalon bei den Maya ausgesehen hatte, musste sie ihn dringend putzen, ehe sie wieder ins Haus ging.
Muriel seufzte. Die vielen Kratzer, die er sich im Dschungel eingehandelt hatte, würde sie ihrer Mutter natürlich erklären müssen. Aber darüber würde sie sich später Gedanken machen.
»Bleib hier stehen!«, sagte sie zu Ascalon und lief zur Sattelkammer, um ihren Putzkasten zu holen. Auf dem Rückweg schnappte sie sich noch einen Apfel aus der Apfelkiste und reichte ihn Ascalon mit den Worten: »Hier, den hast du dir wirklich verdient.«
Ascalon schnaubte und nahm den Apfel vorsichtig mit den Lippen entgegen. Während er kaute, machte Muriel sich an die Arbeit. An der Brust und auf der Kruppe hatte sie die schlimmsten Kratzer gesehen. Hier musste sie unbedingt die schorfigen Stellen ausbürsten und das verklebte Fell säubern. Mit dem Gummistriegel in der Hand trat sie vor die Kruppe, aber sosehr sie auch suchte, es waren keine Verletzungen mehr zu erkennen.
Seltsam. Muriel runzelte die Stirn. Sie wusste genau, dass Ascalon sich tiefe Kratzer zugezogen hatte. Aber wie durch Zauberhand waren sie jetzt alle weg.
» Es wird sein, als wärst du niemals fort gewesen. « Die Worte der Göttin kamen ihr wieder in den Sinn und plötzlich verstand sie, dass damit viel mehr gemeint war als nur die verstrichene Zeit. Hunger, Durst, Erschöpfung und Verletzungen … alles, was seine Ursachen in der Vergangenheit hatte oder dort entstanden war, hatte in ihrer Zeit scheinbar keinen Bestand.
Prüfend fuhr Muriel sich mit den Händen durch die Haare, die sich wie frisch gewaschen anfühlten. Dann betrachtete sie ihre Handflächen. Die Schwielen und Blasen, die die Arbeit mit dem Mahlstein dort hinterlassen hatte, waren nicht mehr zu sehen. Sie horchte in sich hinein und tatsächlich spürte sie weder Erschöpfung noch Müdigkeit. Alles war so wie in dem Augenblick, als sie aufgebrochen waren.
»Cool!« Muriel grinste. »Dann kann ich ja noch eine Runde schlafen gehen.« Sie führte Ascalon in die Box, füllte die Heuraufe auf und stellte den Putzkasten zurück in die Sattelkammer. Zum Schluss schloss sie auch das Tor wieder, damit nichts ihren nächtlichen Ausflug verriet.
Nachdem sie sich liebevoll von Ascalon verabschiedet hatte, watete sie über den matschigen Hof zurück zum Haus. Die verdreckten Sneakers zog sie noch vor der Haustür aus und versteckte sie hinter einem Blumenkübel, damit Teresa sie am Morgen nicht sofort fand. Dann öffnete sie leise die Tür und schlüpfte hinein.
Titus lag noch immer auf seinem Lieblingsschlafplatz und döste vor sich hin. Mit den Ohren verfolgte er wachsam jedes Geräusch, aber er sah nicht einmal auf, als sie hereinkam und im Flur an ihm vorüberging.
»Braver Titus«, flüsterte Muriel ihm zu, während sie ihm sanft über den Rücken streichelte. »Ich wusste, du verrätst mich nicht.« Sie richtete sich auf und schlich zur Treppe. Einer plötzlichen Eingebung folgend hielt sie davor noch einmal inne, nahm die Kette mit dem Maya-Dolch ab, zog den Ring der Wächter vom Finger und ließ beides in ihrer Hosentasche verschwinden.
Die unterste Stufe knarrte verräterisch, als sie den Fuß daraufsetzte. Viel lauter als sonst. Auch die anderen Stufen ächzten gut vernehmlich. Muriel ärgerte sich. Auf der Hälfte der Treppe blieb sie stehen und lauschte, aber in den Schlafzimmern blieb alles ruhig.
Noch sieben Stufen. Sie holte noch einmal tief Luft und schlich weiter.
Drei … zwei … eine …
»Wo warst du denn?«
Muriel prallte erschrocken zurück, als sie die Stimme neben sich hörte. Es gelang ihr gerade noch, sich am Treppengeländer festzuhalten, um einen Sturz zu verhindern.
»Vivien!«, keuchte sie fassungslos. »Bist du verrückt geworden? Was fällt dir ein, mich so zu
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