Asche zu Asche
den Vorhängen lag. „Los, wir müssen sie befreien.“
Max schob das Tuch zur Seite und erstarrte.
Er hatte sie seit dem Unfall nicht mehr gesehen. Nun, eigentlich erinnerte er sich daran, sie während des Unfalls das letzte Mal gesehen zu haben. Die zugenähten Schnittwunden an ihrer Stirn und auf dem restlichen Gesicht hatte siedem Beifahrerfenster zu verdanken. Oder dem ehemaligen Beifahrerfenster, wenn man es genau nahm. Die Scherben waren über sie hereingeregnet, und er hatte die Blutstropfen von ihren Wunden durch die Luft fliegen sehen, bevor sie auf dem Armaturenbrett gelandet waren. Die Quetschungen an ihrem Hals und ihrer Brust sahen deutlich nach dem oberen Sicherheitsgurt aus. Er wollte nicht wissen, wie es in ihrem Schoß aussah. Die blauen Augen konnte er sich nicht erklären, aber wahrscheinlich hatten sie damit zu tun, dass ihre Nase zerdrückt und verunstaltet war. Über ihrem Nasenrücken klebte ein weißes Pflaster. Ihr rechtes Bein, das der Stelle, an der sie mit dem anderen Wagen zusammengeprallt waren, am nächsten gewesen war, war von einem seltsamen Metallgerüst eingerahmt.
„Es ist eine externe Schiene“, erklärte Anne, als sie fröhlich die Seitengitter des Bettes hinabließ. „Dabei muss ich an meinen letzten Auftrag denken. Ich bin aus einem Heißluftballon gestürzt. Wir waren etwa sechzehn Stockwerke über dem Boden. Das Ganze endete damit, dass ich Metallschrauben in meine Hüfte eingesetzt bekam. Die gute alte Medizin der Bewegung. Solche Dinge hatten die sich schon ausgedacht, längst bevor die menschlichen Ärzte darauf gekommen sind.“
„Wie bekommen wir sie hier raus?“ In Bellas rechtem Arm steckte eine Infusion und an ihrem Bein klebte ein Katheterzugang.
„Ich habe einen Rollstuhl im Auto. Du müsstest sie aber bis dahin tragen, wenn du das schaffst.“ Anne löste den Katheterbeutel vom Bettgestell und hob die Infusion vom Ständer. Beides warf sie zwischen Bellas Beine und schlug die Decke zurück. „Ich nehme an, es ist am besten, wenn ich sie trage.“
„Ich glaube, du hast recht.“ Er beugte sich über Bella und küsste sie auf die Stirn, während er versuchte, den Blutgeruchaus ihrer Platzwunde über der Augenbraue zu ignorieren. „Wach auf, Schatz, wir müssen los.“
„Wohin?“, murmelte sie schläfrig, bevor sie zu lächeln anfing. Sie öffnete die Augen, während sie sich an die Umstände erinnerte, warum sie hier waren. „Wie bist du freigekommen?“
Anne kam näher und berührte Bellas Arm. „Du bist hier nicht in Sicherheit.“
„Was ist mit der Bewegung? Sei nicht kindisch.“ Sie sah Max an. „Sag es ihr. Sag ihr, was hier los ist.“
„Sie weiß, was hier läuft.“ Er sah über die Schulter, denn er war sicher, dass jeden Moment Dr. Grizzly Adams hereinstürmen und ihrem Ausflug ein Ende bereiten würde. „Diese Leute sind nicht in der Bewegung, sie gehören zum Souleater. Sie haben die Hütte bewacht.“
Vor der Tür war ein Geräusch zu hören. „Sie kommen. Ich habe sie zwar von innen versperrt, aber sie werden sie aufbekommen“, warnte Anne.
„Los.“ Max hob Bella so vorsichtig er konnte auf. Dennoch schrie sie auf, als er ihr Bein bewegte. „Es tut mir leid, Baby.“
„Es gibt eine zweite Tür.“ Anne deutete auf die Seite des Zimmers, die hinter den Vorhängen verborgen war. „Kommt!“
Sie eilten aus dem Zimmer und landeten in einem Labyrinth aus Industrieregalen, auf denen zentimeterdick der Staub lag. Am anderen Ende – sie hatten die Länge eines Fußballfeldes zurückgelegt – leuchtete ein Notausgangschild in gruseligem Rot.
Es war kein Lichtstrahl, der vom Himmel fiel, aber sie hatten keine andere Wahl.
Anne lief vor und trat die Tür ein.
„War sie abgeschlossen?“, fragte Max über seine Schulter, als sie ihn vorbeiließ.
„Ich weiß es nicht. Das Auto steht hier drüben!“ Sie rannte wieder vor und schlitterte mit ihren Springerstiefeln über den Kies.
„Langsam, Baby“, flüsterte er Bella ins Ohr, als er sich mit ihr hinabbeugte, um sie auf den Rücksitz zu legen. „Was wollte der Souleater bloß von uns?“
„Das weißt du doch!“ Anne schloss hinter ihm die Tür, sobald er sich neben Bella gesetzt hatte. Die Türen wurden automatisch verriegelt, Griffe fehlten.
„Anne?“ Er schlug mit der Faust gegen das Fenster. Das Glas gab einen dumpfen Ton von sich. Kugelsicher. Einbruchsicher.
Draußen liefen Vampire aus dem Gebäude. Anne zog drei schlanke Pflöcke aus dem Hosenbund
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