Asche zu Asche
unmöglich.“ Nathan stand auf und drehte sich um, während er sich mit der Hand über sein Kinn mit dem Dreitagebart strich. Er sah aus, als hätte er nicht geschlafen. „Nein, das kann nicht sein.“
„Denk mal darüber nach, in welcher Situation sie sich befanden“, fuhr Cyrus ruhig fort. „Du sagst, sie standen unter schwerer Bewachung. Wenn jemand sie hätte herausbeziehungsweise hineinbringen wollen, dann hätten sie viel mehr als drei Menschen töten müssen.“
„Die einzige Person, die das schaffen könnte, müsste ein Vampirjäger sein“, unterbrach ich. „Jemand, der es mit drei Vampiren zugleich aufnehmen konnte.“
Cyrus stimmte mir mit einem Brummen zu. „Und der deine Freunde davon überzeugen konnte, mit ihm oder ihr zu gehen.“
„Worüber redest du?“ Nathan drehte sich zu uns um, sein Gesicht verzerrt vor Wut. Er deutete mit dem Zeigefinger auf Cyrus, als halte er eine Waffe in der Hand. „Erst einmal bist du nie Mitglied der Bewegung gewesen, also hast du keine Ahnung davon, wie wir arbeiten.“
„Ich weiß, wie wir uns von Zeit zu Zeit bei euch eingeschlichen und die Bewegung unterwandert haben“, entgegnete Cyrus ruhig.
„Da hat er recht.“ Warum hatte ich plötzlich das Gefühl, dass wir uns gegen Nathan verbündeten?
Einen Augenblick später war mir das gleichgültig. Nathan starrte mich mit kalten Augen an. „Und du hast schon mal gar keine Ahnung, wie die Bewegung funktioniert. Es ist ein Zusammenschluss von Vampiren, die einem gemeinsamen Ziel loyal gegenüberstehen. Der Schwerpunkt liegt hier auf dem Wort loyal.“
Mir sank das Herz in die Knie. „Was willst du mir damit sagen?“
„Das hast du gehört.“ Durch die Blutsbande spürte ich eine Welle der Scham darüber, wie er sich verhielt, aber er konnte seinen Ärger nicht unterdrücken.
„Das reicht!“ Cyrus sprang auf, und einen Moment lang fürchtete ich, er würde eine Dummheit begehen, zum Beispiel Nathan zu schlagen. Stattdessen schluckte er hörbar, entspannte die zu Fäusten geballten Hände und sprach ruhig weiter. „Wir befinden uns nicht in der besten Situation. Ich werde versuchen, die Lage zu bereinigen, sobald ich mein Haus von meiner ehemals menschlichen Exfreundin zurückbekommen habe. Aber wir haben auch noch andere Schwierigkeiten als die Beziehungsprobleme, die du mit Carrie hast.“
Als ich das hörte, taten mir seine Worte weh. Ich liebte Cyrus wirklich, nun, da ich moralisch dazu in der Lage, nämlich frei, war. Aber ich liebte auch Nathan, und ich hasste es, ihm wehzutun, nach all dem, was er für mich getan hatte.
Cyrus sah mich verstimmt an. Du wirst nie herausfinden, was du eigentlich willst. Und jetzt ist dafür sowieso nicht der richtige Zeitpunkt.
Nathan sah uns beide an und seufzte. „Was ist dann unser nächster Schritt, weiser Mann?“
Dankenswerterweise ignorierte Cyrus diesen Seitenhieb.„Wir wenden uns an unsere einzige Informationsquelle, meinen Vater.“
„Ach ja, dein Vater. Derjenige, der dich jahrhundertelang kontrolliert hat – wie viele waren es noch? Ich fahre dich gleich hin.“ Nathan lachte.
„Nathan!“ Ich griff mir an den Kopf, denn ich hielt dieses sinnlose Gezicke keine weitere Minute mehr aus. „Max und Bella sind eindeutig in Gefahr. Wir müssen herausfinden, wo die beiden sind, um zu verhindern, dass der Souleater das Baby in die Hände bekommt. Wir kennen ihn gut genug, um zu wissen, dass das, was er mit dem Kind vorhat, wahrscheinlich nichts Gutes sein wird. Und was er Bella und Max antun wird, möchte ich mir auch nicht vorstellen. Können wir uns wenigstens darauf einigen?“
„Natürlich können wir uns darauf einigen“, murmelte Nathan. „Aber ich habe es satt, hier herumzusitzen und nur darüber zu reden. Wir sitzen hier seit Tagen fest, tun nichts anderes als lesen, recherchieren und warten, während Max und Bella ständig Gefahr laufen, getötet zu werden.“
„Genau das habe ich gerade gesagt.“ Natürlich konnte ich ihn auf jeden Fall verstehen. Ich hatte mich die letzten Tage genauso hilflos gefühlt. Es war schwierig, nach den Dramen, die wir selbst erlebt hatten, jetzt einfach nur Nebenfiguren sein zu müssen. „Wir haben keine Hinweise. Wir wissen nicht, wo sich der Souleater aufhält. Wir wissen nicht, wo Bella und Max sind. Wir können einfach nur abwarten.“
„Das stimmt nur zur Hälfte.“ Nathan sah nicht nur müde aus, er klang auch so. „Ich weiß, wo Jacob …“, er hielt inne und verzog das Gesicht.
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