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Aschenpummel (German Edition)

Aschenpummel (German Edition)

Titel: Aschenpummel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Miedler
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eines: ihn aufheitern. Ich trat die Stufe hinunter und schloss die Tür hinter mir. »Sie haben so ein schönes Geschäft, Herr Nemeth. Wirklich, es ist das prächtigste Buchgeschäft, das ich kenne.«
    Wie auf Kommando sahen wir uns in dem bescheidenen Raum um, bei dessen Anblick einem »prächtig« nicht unbedingt als Erstes in den Sinn kam. Umso vehementer bekräftigte ich: »Es ist prächtig, wahrhaft prächtig.«
    Der Pirat lehnte am Schreibtisch. »Sie mögen Bücher sehr, nicht wahr?«
    »Am allermeisten von allen Dingen auf der ganzen, weiten Welt«, beschwor ich, fest davon überzeugt, dass die Tristesse des Piraten nur durch Superlative zu heilen war.
    Er stieß sich vom Schreibtisch ab und begann, das vordere Regal abzugehen. Ich fingerte an dem Drehständer, den ich gestern beinahe umgeschmissen hätte, und meine Gedanken drehten sich im Kreis, genau wie das Bücherkarussell. Er liebt mich, er liebt mich nicht, er liebt mich, er liebt mich nicht … dummes Ding, dich hat noch nie ein Mann geliebt, also wohl nicht … aber er ist so anders als alle anderen, also vielleicht doch … aber er ist und bleibt ein Mann, also nicht … und wenn er aber schwul ist, dann vielleicht doch, dann bringt es aber nichts …
    »Da haben wir sie.«
    »Häh?« Gott, Teddy, »häh« wäre jetzt aber nicht nötig gewesen, oder?
    » Jane Eyre . Hier ist sie.«
    »Oh, ja natürlich, das ist wunderbar, ich hab nämlich noch keine, nur mal aus der Bibliothek ausgeborgt …«
    »Dann haben Sie die andere Ausgabe wohl hergeschenkt?«
    Ich wurde rot. So ein Mist, natürlich, ich hatte schon eine, das war aber Ewigkeiten her, dass ich die beim Piraten gekauft hatte, das musste an einem der allerersten Tage gewesen sein.
    »Sie haben sie gekauft, als Sie das zweite Mal hier waren. Am ersten Tag waren es Die Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn . Und am dritten Tag haben Sie Anne auf Green Gables genommen –«
    » – und am vierten«, flüsterte ich, » Anne von Avonlea . Und am fünften Anne in Kingsport. Und am sechsten das Guinness Buch der Rekorde 1986  …« Danach brachte ich kein Wort mehr raus. Mein Gott, ich war wichtig für ihn. Er liebte mich.
    Er sagte: »Wundern Sie sich bitte nicht, dass ich mich so gut erinnern kann. Ich fürchte, Bücher sind meine einzige Leidenschaft. Ich habe alle Verkäufe der letzten vier Monate im Kopf.«
    Der Mann war der Romantikkiller Nummer eins. »Sie sollten bei Wetten dass … auftreten«, presste ich hervor.
    Er zuckte mit den Schultern. »Vielleicht mache ich das irgendwann.« Er klang allerdings nicht sehr motiviert.
    Eine unangenehme Pause entstand, und nachdem ich den Ständer acht weitere Runden gedreht hatte, macht ich eine Verlegenheitsbemerkung. Eine, die Buchhändler wohl des Öfteren zu hören bekommen. »Und?«, fragte ich, »haben Sie alle Bücher hier drin gelesen?«
    Doch der Pirat nahm die Frage ernst, freute sich sogar darüber. »O ja«, sagte er. »Ich versuche, jedes Buch, das ich ins Regal stelle, auch selber zu lesen. Sehen Sie, gerade lese ich dieses hier, über Insekten.« Plötzlich sah er mich nachdenklich an.
    »Hmm, wahrscheinlich wird Sie das weniger interessieren …«
    »Nein, wieso?«, rief ich. Es gefiel mir gar nicht, dass er mich für so ein typisches Frauenzimmer hielt, das bei jeder kleinen Spinne loskreischte.
    »Ich liebe Insekten, Spinnen, Ameisen, Fliegen … alles.«
    »Dann ist das hier genau das Richtige für Sie. Es sind großartige Aufnahmen drin. Schauen Sie mal, das hier ist ein Nashornkäfer. Der kann bis zu fünf Zentimeter lang werden.«
    »Oh«, staunte ich und bemühte mich, nicht allzu genau hinzusehen, ich habe sowieso die Tendenz, von allen möglichen Krabblern zu träumen.
    »Und hier, das ist besonders faszinierend, eine Nashornkäferlarve. Wissen Sie, wie groß die werden kann?«
    Ich starrte auf das raupenförmige, durchsichtige Etwas und versuchte, mir nicht vorzustellen, wie das Ding sich durch meinen Mund schlängelte.
    »Zwölf Zentimeter! Können Sie sich das vorstellen?«
    Das konnte ich viel zu gut. Ich presste die Lippen aufeinander.
    »Gigantisch«, quetschte ich hervor, und um zu zeigen, dass ich mitdachte, quetschte ich weiter: »Das ist ja sieben Zentimeter größer als der Käfer selbst.« Es juckte mich überall, und als der Pirat mir ein weiteres »faszinierendes Exemplar«, nämlich eine Blauzahnvogelspinne in Din-A4-Größe, zeigte, spürte ich ein deutliches Kraxeln und blickte auf meinen

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