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Aschenpummel (German Edition)

Aschenpummel (German Edition)

Titel: Aschenpummel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Miedler
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Sie hat Ihnen doch alle Daten genannt und auf der Mitgliedskarte steht ja wohl ihr Name, das müsste doch reichen.«
    Natürlich reichte so etwas ohne Foto drauf nicht, ich hätte die Börse ja gestohlen haben können, aber der Schaffner schien allmählich die Nase voll von mir zu haben und die Geschichte beenden zu wollen.
    Der Pirat rückte seine Augenklappe zurecht, woraufhin unser neuer Bekannter ihn angewidert betrachtete und meinte: »Ihr seid’s mir ein schönes Pärchen.«
    Instinktiv ging ich in Verteidigungshaltung und schnauzte den Uniformierten an: »Haben Sie ein Problem mit uns?«
    »Ich hab kein Problem, ich werd ja keine siebzig Euro zu bezahlen haben, falls ich doch keinen Fahrausweis besitze.« Er kritzelte noch etwas auf seinen Block und drückte mir dann einen Zettel in die Hand. »Melden. Dort. So bald wie möglich. Verstanden?«
    Ich starrte ihn finster an, alle Sorgen wegen der Polizei und meines nicht existenten Führerscheins waren vergessen. Ich antwortete: »Werd ich. Machen. Verstanden.«
    Der Pirat griff nach meinem Arm und zog mich fort. Ich erschauerte unter seiner Berührung. Wir fuhren mit der Rolltreppe nach oben, und ich kaufte einen Fahrschein am Automaten. Danach stiegen wir die Treppe hinunter und warteten auf die nächste U-Bahn.
    Ich sah ihn an. »Es tut mir sehr leid, dass Sie wegen mir aussteigen mussten.«
    Er schüttelte den Kopf. »Das macht doch nichts. Aber Sie sollten sich nicht mit Leuten anlegen, die am längeren Hebel sitzen.«
    »Wieso nicht?«, brauste ich auf. Ich fühlte mich ungerecht behandelt. Der Umstand, dass ich in der Tat schwarzgefahren war, schien mir vernachlässigbar. Außerdem fand ich es befremdlich, dass der Pirat Auseinandersetzungen so sehr zu scheuen schien. Vollmundig behauptete ich: »Ich wehre mich immer, wenn es angebracht ist.«
    Wieder schüttelte er den Kopf. »Irgendwann werden Sie das aufgeben.«
    »Nie«, antwortete ich fest. »Es ist absolut wichtig, für seine Prinzipien zu kämpfen. Absolut, absolut, absolut wichtig.« Er sah mich merkwürdig an. Ich blickte herausfordernd zurück und fragte: »Finden Sie das nicht?«
    Er senkte den Blick und starrte auf die Gleise. »Nicht mehr.«
    Damit schien die Diskussion für ihn beendet. Er verfiel wieder in Schweigen, und ich hatte Zeit, mich mit dieser vollkommen neuen Seite auseinanderzusetzen, die ich gerade an mir entdeckt hatte.
    Wir mussten einmal umsteigen, um an unser Ziel zu kommen. Die ganze Zeit über hielt ich den frisch erworbenen Fahrschein fest in der Hand, bereit, ihn dem nächsten Schaffner unaufgefordert unter die Nase zu halten. Es kam jedoch keiner. Der Pirat schwieg, als hätte er ein Gelübde abgelegt, von ihm kam lediglich ein kleines Nicken, wenn unsere Blicke sich zufällig trafen. Wieder dachte ich, dass irgendetwas heute Abend anders war an ihm.
    Die Sieveringer Straße lag verlassen da. Aus den geöffneten Fenstern der Wohnhäuser drang gelegentliches Lachen. Irgendwo sang jemand »Fly me to the moon«.
    »Das hätte dem Hans gefallen«, sagte ich und fügte ungefragt hinzu: »Der Hans, das war der Gründer vom Schuh-Bi-Dubi-Du . Er ist vor drei Jahren gestorben.«
    Es dauerte eine Weile, bis der Pirat antwortete. »Aha«, sagte er schließlich. »Wollte der Hans auf den Mond fliegen?«
    So viel Unwissen verschlug mir die Sprache. Natürlich, der Pirat hatte Hans ja nicht mehr gekannt, aber »die Story« – wie der Hans gesagt hätte – war doch wohl jedem in der Umgebung bekannt.
    »Der Hans war der größte Frank-Sinatra-Fan aller Zeiten. Er hat ihn sogar mal getroffen, vor vierzig Jahren oder so, in New York. Da haben sie eine ganze Nacht zusammen durchgemacht, und Sinatra hat dem Hans ganz viele Originalsachen geschenkt. Platten, Noten, eine Ukulele, alles mit Autogramm drauf …«
    »Ach«, jetzt lächelte der Pirat, »das ist ja eine wunderbare Geschichte.«
    Ich nickte eifrig. »Ja, und bis vor ein paar Jahren hingen die Sachen auch alle im Schuh-Bi-Dubi-Du, aber kurz vor seinem Tod hat er sie abgenommen. Ich habe Nancy danach gefragt, aber sie tut so, als wüsste sie von nichts.«
    »Nancy Sinatra?«
    Ich kicherte. »Nein, Hans’ Tochter. Sie hat das Geschäft übernommen. Sie ist furchtbar. Und am liebsten würde sie das Schuh-Bi-Dubi-Du umbenennen.«
    »In was denn umbenennen?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Aber sie darf eh nicht. Das hat Hans im Testament so festgelegt. Wäre ja auch blöd, wo der Name doch die Idee von Frank

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