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Aschenpummel (German Edition)

Aschenpummel (German Edition)

Titel: Aschenpummel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Miedler
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Tropfen, herrlich, wie es rinnen und rauschen wird …
    Ich biss die Zähne zusammen und krallte meine Nägel in die Handinnenflächen. Himmelschimmel, ich schaff es nicht, ich schaff es nicht! Vor Wut über mich hätte ich am liebsten geheult. Ich wusste, ich durfte nicht länger hier drin bleiben, er musste sonst denken, dass ich ein richtiges Geschäft in sein Klo legte und diese Vorstellung war einfach zu schrecklich. Beschämt und frustriert zupfte ich ein bisschen an der Klopapierrolle herum, dieses Geräusch sollte er jetzt hören, ich war schließlich zivilisiert.
    Mit beinah berstender Blase betätigte ich die Spülung und öffnete die Tür. Ich stand allein in dem Raum mit dem Eisentisch, der Pirat war drüben bei seinen Büchern und sein vermeintlicher Schatten stellte sich als Tischbein heraus.
    Sollte ich es nochmal versuchen, jetzt wo die Luft rein war?
    »Frau Kis, ich hab Ihnen gar nichts zu trinken angeboten. Möchten Sie vielleicht ein Glas Wasser? Etwas anderes habe ich leider nicht.«
    Drei Dinge, die zu beachten waren:
    Erstens: Natürlich war ich am Verdursten, sicher wegen der Erdnüsse, des Long Island Ice Teas und der anschließenden Kotzerei.
    Zweitens: Natürlich durfte ich keinen weiteren Schluck Flüssigkeit zu mir nehmen, sonst würde meine Blase endgültig platzen.
    Drittens: Natürlich musste ich das Angebot annehmen, die Chance eines seiner Gläser zu benutzen, durfte ich nicht ungenutzt lassen, wo es schon mit der Wurstsemmel nicht geklappt hatte.
    »Wasser, bitte.«
    Während ich an meinem Glas nippte, das er aus seiner Schreibtischschublade gezogen und mit Wasser aus dem Klowaschbecken gefüllt hatte, dachte ich darüber nach, dass nirgends – auch nicht im Hinterzimmer – ein Foto oder sonst irgendetwas Privates zu finden war, von der Wurstsemmel einmal abgesehen.
    Mir kam ein Gedanke, ein wichtiger, interessanterweise war es das erste Mal, dass ich daran dachte, komisch eigentlich. Und ich musste diesen Gedanken auch gleich laut aussprechen, so panisch und plötzlich wie er gekommen war.
    »Haben Sie Kinder, Herr Nemeth?«
    Er schüttelte den Kopf. Ich hätte am liebsten gelacht vor Erleichterung. Ohne Kinder war die Trennung von einer möglichen Partnerin viel leichter.
    »Ich hab auch keine«, gab ich überflüssigerweise von mir, es hatte mich schließlich kein Mensch danach gefragt. Jetzt die Frage aller Fragen.
    »Und äh –«, begann ich, »ähm, Ihre Frau? Hmm?«
    Er runzelte die Stirn. Ich sog die Luft ein, ein bisschen zu laut vielleicht, und ergänzte: »Oder … oder ist sie Ihre Freundin …«
    »Wer?«, fragte der Pirat, und die Furchen auf seiner Stirn wurden so tief, dass ein Marienkäfer hätte hineinfallen können. Ich schwitzte Blut. Frag doch nicht wer, du lieber, süßer Dummkopf. Sag nur ob . Doch er sagte nichts, er sah mich nur an, und wieder einmal war es an mir, die Situation zu retten. »Na, ich dachte nur …«, stammelte ich, worauf er sein übliches »Aha« erwiderte.
    Ach verdammt, das war alles so sinnlos und in den nächsten Sekunden würde außerdem meine Blase explodieren. Ich nahm meine Jane Eyre und drückte sie an die Brust. »Wie viel schulde ich Ihnen?«, fragte ich.
    Er schüttelte den Kopf.
    »Nichts, ich möchte sie Ihnen schenken.«
    »Danke«, flüsterte ich.
    Der Pirat sperrte das Geschäft ab. Ich stand daneben und konnte den Blick nicht von seinem Gesicht wenden. Wie er wohl lachend aussehen würde? Oder ohne Augenklappe?
    »Sie können mir ruhig sagen, warum Sie die Augenklappe tragen. Ich verstehe alles«, platzte es aus mir heraus.
    Er antwortete nicht, senkte nur den Kopf und schlug schweigend den Weg in Richtung Straßenbahnstation ein. Gott, der Mann machte mich fuchsteufelswild. Der war ja noch mühsamer als ich selbst!
    Ich lief ihm nach, wobei ich wegen meiner Blase bereits nahe dran war, das Bewusstsein zu verlieren.
    »Dann sagen Sie mir wenigstens, was mit der Buttersäure in den Sechzigern war«, rief ich trotzig. Jetzt sah er mich an.
    »Das war in den Siebzigern.«
    »Okay. Und?«
    Er blieb stehen. »Frau Kis, vertrauen Sie mir?«
    »Ja«, sagte ich. Und ich liebe dich, ich liebe dich.
    »Dann kommen Sie am Montagabend zu mir ins Geschäft.«
    »Ja«, wiederholte ich artig und nickte so lange und so eifrig, bis er hinzufügte: »Ich möchte Ihnen jemanden vorstellen.«
    In dem Moment kam die Straßenbahn.
    Wir saßen nebeneinander auf einem Zweiersitz, doch ich konnte die Nähe zu ihm nicht genießen.

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