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Aschenpummel (German Edition)

Aschenpummel (German Edition)

Titel: Aschenpummel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Miedler
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Was für eine Verschwendung, wo sie doch klug genug ist, um Karriere zu machen.« Meine Mutter beugte sich zu mir, ihr Ton wurde vertraulich, ich hasste das. »Die Männer steigen gerne zu deiner Schwester ins Bett. Es würde deine Schwester keine Mühe kosten, mir zehn Enkel zu schenken. Von zehn verschiedenen Männern.«
    Meine Unterlippe zitterte. »Das weiß ich doch alles, Mama.«
    »Wenn du etwas aus dir machen würdest, viel aus dir machen würdest, dann könnte es durchaus sein, dass auch du einen – Herrgott, wir brauchen doch nur einen einzigen – Mann abbekommst.« Bedauernd fügte sie hinzu: »Auch wenn Tirza mir natürlich die schöneren Enkel schenken würde. Und die klügeren.«
    In dem Moment fing der Fiat an zu stottern. Ich trat auf das Gaspedal, was das Zeug hielt. Dennoch wurde das Auto immer langsamer.
    »Thaddäääaaa«, kam es drohend von rechts.
    »Ich weiß auch nicht, was mit ihm los ist«, jammerte ich und trat weiter. Kurz bevor wir stehen blieben, fing sich der Fiat und nahm wieder Fahrt auf. Vor Erleichterung standen Tränen in meinen Augen. Meine Mutter schnauzte los: »Du warst also nicht in der Werkstatt mit ihm, so wie ich es dir gesagt habe!«
    »Doch, doch, Mama, natürlich, die haben am Motor herumgeschraubt und haben gesagt, dass alles wieder gut ist. Wirklich, Mama –« Jetzt heulte ich.
    »Nicht weinen, mein Mädchen. Mama ist ja da«, wisperte sie und strich mir über den Arm. Ich schluchzte auf. Am liebsten hätte ich mich wie ein kleines Kätzchen auf dem Schoß meiner Mutter zusammengerollt. Einfach nur getröstet werden. Doch ich musste ja fahren, durfte nie wieder stehen bleiben, denn es war äußerst fraglich, ob der Fiat sich jemals wieder dazu überreden ließ, aus dem Stand loszufahren. Aber wenigstens wirkte Mama besänftigt, ja richtig liebevoll. Ich warf ihr einen dankbaren Blick zu.
    »Männer mögen keine verheulten Frauen, Thaddäa.«
    »Ich weiß.«
    »Schon als Kind hast du ständig einen Grund gefunden, Rotz und Wasser zu heulen. Tissi hat dich natürlich deswegen gehänselt. Und was hast du getan? Wieder geheult.«
    Meine Nase begann zu kitzeln, ich musste niesen.
    »Mal wieder mit dem Charme eines Trompetenkäfers«, ätzte Mama, während ich verzweifelt bemüht war, die Spur zu halten.
    »Manchmal wünsche ich mir, sie würden kommen und mir erzählen, dass du im Krankenhaus vertauscht worden bist. Manchmal kann es einfach nicht sein, dass du meine Tochter bist.«
    Meine Kehle war trocken, ich schluckte hart. Wieder strich Mama mir über den Arm. »Na, na, nicht weinen, Kind. Mama hat ihre beiden Mädchen gleich lieb.«
    Prompt musste ich wieder aufschluchzen. Aus dem Augenwinkel sah ich meine Mutter den Kopf schütteln. Sie seufzte. »Ach herrje, auch wenn es jeder anderen Mutter leichter fallen würde, Tirza lieb zu haben.«
    Wir fuhren den schmalen Feldweg entlang bis zur Blockhütte. Wie jedes Mal stand der blaue Nissan neben dem Haus. Wie jedes Mal stieg Mama mit den Worten aus: »Du bleibst im Auto sitzen und rührst dich nicht von der Stelle.« Wie jedes Mal verschwand sie gleich darauf in der Blockhütte und wie jedes Mal tat ich wie geheißen und blieb im Auto sitzen.
    Während der nächsten Stunde musste ich einsehen, dass ich von meinem Vorhaben, das Leben von einer völlig neuen Seite anzugehen, bisher nicht viel umgesetzt hatte. Aber morgen war ja Montag, neue Woche, neues Glück, und da würde ich beginnen.
    Doch nein! Nein, nein, nein, nicht morgen, verdammt noch mal, Teddy, heute! Jetzt! Gleich!
    Aber wie, um Himmels willen? Den größten Schnitt zu meinem bisherigen Leben würde ich freilich begehen, indem ich jetzt einfach wegfuhr. Aber, ach, ich wusste auch nicht warum, aber ich wollte ihr nicht wehtun. Meine Mutter hatte ja niemanden außer mir. Ja, jetzt schwärmte sie von Tissi, ihrer vortrefflichen Erstgeborenen. Aber Tissi kümmerte sich kaum um sie. Arme Mama. Schon mal ein guter Grund, um nicht einfach wegzufahren. Und vielleicht war auch ein bisschen Feigheit mit dabei.
    Ich starrte durch die Windschutzscheibe auf die Hütte. Seit sechs Jahren sah ich Mama jeden Sonntag dabei zu, wie sie die kleine Holztreppe hinaufging und, ohne einen Schlüssel zu benötigen, die Tür öffnete und nach drinnen verschwand. Immer, immer siegte meine Erleichterung darüber, sie zwischen den Autofahrten los zu sein, über die Neugierde.
    Gefragt hatte ich sie nur ein einziges Mal, was es mit all dem auf sich hat. Das war beim allerersten

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