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Aschenpummel (German Edition)

Aschenpummel (German Edition)

Titel: Aschenpummel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Miedler
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dann habe ich Wort gehalten und niemandem etwas verraten. Und auch Mama nicht mehr mit Fragen genervt. Überhaupt ging ich einer Konversation mit meiner Mutter am liebsten aus dem Weg.
    Ich ging nicht zurück zum Auto, sondern kroch in den Büschen ums Haus herum, bis ich an der Rückseite angelangt war. Auch hier waren die Fensterläden verschlossen. Bei jeder anderen Frau hätte ich gedacht, dass sie eine Affäre hatte. Aber Mama hatte so was nicht, das wusste ich ganz genau. Mama fand Männer schlicht dumm. Sie meinte immer, sie könnte einen Mann höchstens noch dazu gebrauchen, um ihr Enkelkinder zu zeugen. Aber das kriegten ja weder ich noch Tissi auf die Reihe.
    Ich wagte mich aus dem Gebüsch hervor, schlich gebückt zur Hütte und legte schließlich mein Ohr an das Holz. Nichts. Entweder war die Hütte absolut schalldicht oder die Menschen darin vollkommen ruhig. Vielleicht hielten sie irgendeine geheime Messe ab? Satansbeschwörung oder so, aber nein, Mama hatte Angst vor dem Teufel. Stimmte das überhaupt? Hatte meine Mutter überhaupt vor irgendetwas Angst? Oder war sie der Teufel selbst und wurde hier drin von ihren Anhängern gefeiert?
    Ich stürzte zurück ins Gebüsch, rannte um die Hütte herum zu meinem Auto und kroch so schnell hinein, dass ich mir den Kopf am Lenkrad stieß. Ich schmiss die Tür zu, schnallte mich an, saß dann kerzengerade auf dem Sitz und wartete auf Mama. Mein Herz klopfte wie verrückt, und plötzlich wurde ich von dem Gefühl überwältigt, das dümmste und feigste Wesen auf Erden zu sein.
    Und etwas wurde mir schlagartig klar: Die Tatsache, dass ich mich bisher nicht um den Inhalt der Hütte geschert hatte, hatte weniger was mit Desinteresse zu tun als vielmehr mit der Furcht, etwas wirklich Schlimmes darin zu entdecken, etwas, das meine Welt für immer auf den Kopf stellen würde.
    Ja, aber warum denn nicht, Teddy, dann steht die Welt halt auf dem Kopf! Macht doch nichts! Wuuuurscht!
    Die Hüttentür öffnete sich und Mama trat hinaus. Ich starrte sie gebannt an. Sie sah genauso aus wie vorher. Mit ihrem grauen Rock und ihrer glänzenden lila Bluse mit der lila Schleife, die um den Hals gebunden war. Sie sah tadellos aus, in keinster Weise so, als hätte sie gerade eine Orgie oder Ähnliches gefeiert.
    »Mama …«, begann ich, als sie einstieg.
    »Rede nicht, fahr los!«
    Gehorsam drehte ich den Schlüssel. Der Motor sprang an, erstarb jedoch, bevor ich die Automatik auf R stellen konnte.
    »Thaddäääaaa …«
    Ich drehte den Schlüssel noch mal, diesmal rührte sich gleich gar nichts.
    »Thaddäa!«
    »Ja, Mama! Was soll ich denn tun –?« Ich klang wie ein quiekendes Schwein.
    »Thaddäa, fahr endlich!«, schrie meine Mutter mich an. Ich malträtierte das Zündschloss bis zum Gehtnichtmehr. Meine Hände zitterten, der Scheibenwischer ging an. Mama packte mit beiden Händen das Lenkrad und riss es in ihre Richtung, was zur Folge hatte, dass das Lenkradschloss einrastete. Mein Hirn spulte sämtliche Kettensägemassakerstreifen und sonstige Schocker ab, in denen ein fehlender Zündschlüssel, durchdrehende Reifen oder simpler Benzinmangel die rettende Flucht verhinderten. Ein Schweißtropfen lief mir ins linke Auge, während ich verzweifelt versuchte, Mamas Hände vom Lenkrad zu lösen. Artikulieren konnte ich mich längst nicht mehr. Mama schrie. Automatisch flog mein Blick zur Hütte, da, die Tür bewegte sich, jetzt schrie auch ich.
    »Fahr, Thaddäa!«
    Ich kniff die Augen zu und drehte ein letztes Mal am Schlüssel. Der Fiat tuckerte an. Das Überraschungsmoment nutzend, stieß ich meiner Mutter den Ellbogen in die Seite, woraufhin sie endlich das Lenkrad losließ. Ich löste die Lenkradsperre, und wir rasten im Rückwärtsgang den Feldweg entlang, mit quietschenden Reifen schossen wir auf die Straße hinaus. Meine Mutter griff sich ans Herz. »Elendiger –«, stöhnte sie mit erstickter Stimme. »Ich sterbe, ich sterbe –«
    »Mama …«
    »Ich sterbe … mein Herz …«
    »Ich ruf die Rettung!«
    »Nein! Willst du mich umbringen? Gott, der Herr, versteht mich denn niemand? Bring mich einfach nach Hause!«
    »Ja … Mama.«
    An diesem Abend kam Punkt 6 auf meine To-do -Liste:
    Finde endlich heraus, was in der Hütte ist!
    Danach schob ich mir eine Lasagne in die Mikrowelle und schnitt mir die Haare.
    Letzteres war keine gute Idee gewesen. Ich sah aus wie Prinz Eisenherz.
    Ich ergänzte meine Liste um Punkt 7:
    Geh zum Friseur!

11
    Montagmorgen,

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