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Aschenpummel (German Edition)

Aschenpummel (German Edition)

Titel: Aschenpummel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Miedler
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hervor, beide Hände aufs Herz gepresst. Aus meinem Mund drang ein schauerlicher Laut. Es klang erbärmlich, dilettantisch, doch es gab kein Zurück. Der Pirat stand hinter dem Schreibtisch und starrte mich mit seinem einen Auge an.
    »Aaaaaaaahhh«, machte ich gequält, kniff die Augen zu, knickte in den Knien ein, vollführte eine halbe Drehung und ließ mich auf den Hintern und schließlich auf den Kopf fallen. Es war dermaßen peinlich, dass ich mich fast darüber freute, wie weh das tat.
    »Frau Kis!« Beinahe hätte ich die Augen wieder aufgerissen. Er wusste meinen Namen. Er – wusste – meinen – Namen!
    Die Hand, die meine nahm, war kühl. Ich fühlte ein Streicheln auf der Wange. Oh Shiti, ich hatte vergessen, die Luft anzuhalten. Jemanden, der wie eine Dampflok schnauft, braucht man nicht zu beatmen. Mit flatternden Lidern öffnete ich die Augen. Er war über mich gebeugt. Er sah wunderschön aus.
    Ich musste was sagen. »Gasgemische«, flüsterte ich.

2
    Ich flog. Aus der Sieveringer Straße hinaus, die ganze Billrothstraße entlang und schließlich hinunter in die Liechtensteinstraße. Ich flog fast bis zum Franz-Josefs-Bahnhof. Ein paar Häuser davor setzte ich zur Landung an. Ich lehnte mich mit dem Rücken an die Haustür und spürte das Lächeln auf meinem Gesicht. Ein dummes, verklärtes Lächeln, das meine Nasenflügel beben, meine Wangen zittern und mich wahrscheinlich insgesamt wie ein aufgeregtes Walross aussehen ließ.
    Nicht dass der Pirat und ich uns noch lange unterhalten hätten. Nur darüber, dass er die Rettung rufen wollte und ich das leicht panisch abgelehnt hatte. Aber es hatte sich etwas verändert. Ab jetzt war ich nicht mehr einfach nur die verrückte Schuhverkäuferin von nebenan, die jeden Abend ein Buch kaufte und nicht redete. Ab jetzt war ich Frau Kis, die einen dramatischen Schwächeanfall gehabt und das mysteriöse Wort »Gasgemische« gesagt hatte. Ich war die Frau, deren Namen er kannte, deren Wange er berührt hatte und zu deren Rettung er die Rettung rufen wollte. Das war Wunder genug, um den Sonntag zu überstehen. Verdammt, das war Wunder genug, um ein ganzes Leben zu überstehen!
    So leise wie irgend möglich schlich ich die Wendeltreppe hoch. Ganz innen, wo die Stufen am schmalsten waren. So hatte ich es schon als Kind gemacht, vermutlich um den inneren Balanceakt, den »nach Hause kommen« für mich bedeutete, auch äußerlich nachzuvollziehen. Meine Wohnung lag im fünften Stock und der Lift, der uns seit zwanzig Jahren versprochen wurde, war noch immer nicht gebaut worden. Ich hatte es unbemerkt bis in den ersten Stock geschafft, aber das war noch kein Kunststück. Jetzt. Jetzt wurde es kritisch.
    »Du bist spät, Thaddäa.«
    Ich stieß einen spitzen Schrei aus. Warum erschreckte ich mich eigentlich jedes Mal? Es war doch ohnehin jeden Abend dasselbe Spiel. Ich schaffte es nie, wirklich nie, mich an Tür Nummer drei vorbeizuschleichen. Oh ja, sie war gerissen. Sie liebte es, mich erst in Sicherheit zu wiegen. Nie riss sie die Tür auf, wenn ich direkt davorstand. Manchmal ließ sie mich noch vier Schritte daran vorbeigehen, dann wieder nur einen.
    »Ja, Mama«, sagte ich.
    »Ja, Mama«, äffte sie mich nach. »Als ob sie dir in diesem Schuhladen das Sprechen verbieten würden. Das ist doch kein vollständiger Satz. ›Ja, Mama‹. Herrgott, und das bei meinem schwachen Herzen. Wozu die ganze Erziehung?«
    »Das ist auch kein vollständiger Satz«, platzte es aus mir heraus.
    Meine Mutter griff sich an die Brust. So wie ich zuvor im Libri Liberi, ich hatte eben von der Besten gelernt. Diese Geste war Mamas Paradenummer. Sie signalisierte einerseits einen drohenden Infarkt und andererseits ein durch die versagende Tochter gebrochenes Herz.
    Hätte ich es nicht schon so oft gesehen, ich hätte Szenenapplaus gegeben.
    »Brauchst du noch irgendwas?«, fragte ich stattdessen.
    »Gesellschaft«, krächzte der sterbende Schwan. Auch das war kein vollständiger Satz.
    »Mama … ich bin müde.«
    Sie hatte dunkelblauen Lidschatten bis hinauf zu den Augenbrauen aufgelegt. Die Haare, die nach dem Versuch sie blond zu färben, gelb waren, fielen ihr spröde auf die Schultern herab. In ihrem weißen, bodenlangen Nachthemd sah sie aus wie Bette Davis als Baby Jane . Zum Fürchten.
    »Hat meine kleine Thaddäa ihre Mama nicht mehr lieb?«
    Ich warf einen besorgten Blick auf die angrenzenden Wohnungstüren. Es war acht Uhr abends, meine Mutter stand in ihren

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