Aschenpummel (German Edition)
nach seinem Tod ja auch das Bankschließfach räumen müssen.« Ich schob den Vorhang beiseite. »Ich glaube eher, dass er die Sachen irgendwo vergraben hat oder so. Und nachdem es seine Wohnung nicht mehr gibt, müssten sie eigentlich hier sein.«
»Hier?«
»Ja. Vielleicht im Lager unter all den Kartons. Oder im Klo unter einer abnehmbaren Fliese. Oder im Spülkasten.«
»Samt Ukulele?«, fragte Be-De mit hochgezogener Augenbraue und völlig zu Recht.
Ich sah trotzdem nach.
Eine Minute später hatte ich den Deckel des Spülkastens ruiniert und zwei angeknackste Fliesen an den Wänden entdeckt, von denen ich zumindest eine mit ein bisschen Brutalität rausbrechen konnte. Drunter war grauer Verputz, der sich bröckchenweise von der Wand löste.
Be-De schüttelte zwar den Kopf, wirkte aber recht heiter dabei.
»Und was hast du jetzt vor?«, fragte sie. »Die ganzen Schuhkartons durchsuchen?«
Da war er wieder, dieser ungute Gedanke an Vanessa und ihre gestrige Aktion. Wenn ich Be-De jetzt davon erzählte, würde sie sich schieflachen und höhnen, dass sie sich ja gleich gedacht hat, dass die aufgetakelte Schönheit nicht meine Freundin war.
»Hilfst du mir, die Schuhkartons zu durchsuchen?«, fragte ich sie stattdessen.
Be-De schwang ihren Pferdeschwanz. »Logo«, sagte sie.
Die Unbekümmertheit der Jugend hatte manchmal doch auch ihren Vorteil.
Als Be-De um eins ging, hatten wir etwa ein Fünftel der Kartons durchsucht. Wäre die kleine Melli nicht mit ihrem tropfenden Schokoladeneis in den Laden gekommen und hätte uns beide über eine Stunde auf Trab gehalten, dann hätten wir vermutlich sogar noch mehr geschafft.
Um halb drei schneite Vanessa rein. Ich bediente gerade die Frau unseres Fleischers, die sich ihre monatliche Ration an weißen Pantoffeln holte. Für sich, für ihren Mann und für den Lehrling, der zwar neu war, aber sicher die gleiche Schuhgröße hatte wie der alte Lehrling. Na klar, dachte ich, Schuhgröße 43 haben Lehrlinge so an sich.
Als Vanessa erschien, fiel mir auf, dass Be-De und ich vor lauter Schatzsuchen vergessen hatten, die Sinatra-CD auf Repeat zu stellen. Kein Girl from Ipanema für Vanessa heute. Das tat mir fast ein bisschen leid, doch dann sagte Vanessa: »Wunderschönen guten Tag, liebste Freundin, ich gehe gleich nach hinten, gell?«
»Nein!«, rief ich und ließ die weißen Pantoffeln fallen. »Neineinein, ähm, Frau … gnä’ Frau, das macht dann 42 Euro 80. Vanessa, warte bitte!«
Die Frau vom Fleischer drückte mir einen Fünfziger in die Hand, ich öffnete die Kassa, schleuderte den Fünfziger hinein und warf der Dame irgendwelches Restgeld entgegen.
»Auf Wiedersehen«, verabschiedete ich die Kundin und stürzte mich auf Vanessa, die gerade hinter dem Vorhang verschwinden wollte.
»Halt, was machst du denn da? Bleib hier, um Gottes willen, da – da drin ist meine Chefin«, verfiel ich in den Flüsterton. »Du kannst da jetzt nicht rein.«
»Oooch«, Vanessa zog eine Schnute, die ihr das Aussehen einer Ente bescherte. Natürlich von so einer süßen, hübschen von Walt Disney oder so.
»Es tut mir leid, Vanessa.«
Die Ente schmollte. »Wann kann ich mir die Schuhe endlich fertig ansehen?«
»Warum ist das überhaupt so wichtig?«, fragte ich misstrauisch und betete inbrünstig, dass sie mir einen glaubwürdigen und vor allem stinknormalen Grund nennen konnte. Ich wollte doch bitte, bitte einfach nur, dass sie mich wirklich mochte und dass sie wirklich meine Freundin sein wollte, bitte, bitte, alles andere würde ich nicht ertragen.
Vanessa sank auf meinen Hocker. Verdammt, ich hatte ihn nach dem Besuch der kleinen Melli vorhin noch nicht abgewischt und Vanessa trug heute so schöne helltürkise Shorts. Außerdem gab sie wieder ihre Weltschmerznummer. Wahnsinn, die Tränen perlten von ihrem Gesicht ab wie Wasser von einem Entenpopo.
»Vanessa, was ist denn? Ich wollte dich nicht traurig machen.« Ich streichelte ihren Rücken, doch die Bewegung war mir so fremd, dass ich mir sicher war, alles falsch zu machen. Und die Worte hatten geklungen, als würde ich meinen ersten Auftritt bei der Laienbühnengruppe von Sankt Hintermond geben. Im Trösten hatte ich nicht viel Übung.
Vanessas Vorstellung hingegen war oscarreif. Es regnete wahre Sturzbäche aus ihren Augen, ja, es stand fast zu befürchten, dass die schöne blaue Farbe ein Opfer dieser Niagarafälle werden würde. Ente mit weißgewaschenen Augen.
Konzentrier dich, Teddy, mach
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