Aschenpummel (German Edition)
was!
»Bitte, Vanessa, bitte sag mir doch, was du hast –«
»Ich bin krank, Teddy, verstehst du das nicht? Krank!«
Ich hockte mich neben sie, mein Herz klopfte plötzlich sehr schnell. »Was … was hast du denn?«
»Ich bin süchtig. Ich bin süchtig nach Schuhen. Von früh bis spät kann ich an nichts anderes denken. Mein ganzes Leben dreht sich nur darum. Und Geld hab ich auch keines mehr, weil ich – oh Gott!« Vanessa schlug die Hände vors Gesicht und schluchzte laut auf. »Es ist so schwer, so wahnsinnig schwer, sich das selbst einzugestehen. Mir das selbst einzugestehen, verstehst du? Verstehst du?«
Ich nickte. Dass Dinge schwer waren, verstand ich. In der Tat.
»Teddy«, Vanessa griff nach meiner Hand und sah mich flehend an. »Teddy, bitte, lass mich nur noch ein einziges Mal da nach hinten!«
»Nein«, sagte ich fest. »Dann wäre ich keine gute Freundin.«
»Oh Teddy, willst du überhaupt noch meine Freundin sein?«
»Ja, natürlich. Es … es gibt doch keinen Grund, warum ich das nicht sein wollte. Außer dass … naja, du … du kommst wahrscheinlich nur wegen der Schuhe her …«
»Nein!«, rief Vanessa. »Nein, das stimmt so nicht. Hauptsächlich natürlich schon wegen der Schuhe, ja. Aber ein bisschen auch, weil ich dich mag. Du bist einfach so anders als die anderen Frauen, die ich kenne … du bist einfach so schön normal.«
Ich musste lachen. »Warum? Weil ich nicht auf Schuhe stehe?«
Vanessa lachte nicht mit. Sie nickte heftig und ernst. »Ja, genau deswegen.«
Und ich hatte immer gedacht, dass ich genau deswegen eben keine normale Frau war.
Ich räusperte mich. »Was hältst du davon, wenn wir uns das nächste Mal woanders treffen, nicht hier?«, fragte ich zaghaft. »Falls du mich wirklich treffen willst?«
»Sehr gern, Teddy.« Sie schniefte ein letztes Mal, dann erhob sie sich und strich ihre Shorts glatt. »Rufst du mich an?«
Ich nickte. Wir küssten uns zum Abschied auf beide Wangen, und ich hatte ein warmes Gefühl in der Herzgegend, als Vanessa zur Tür ging, mit einem braunen Eisfleck auf ihrem türkisenen Popo.
16
Fünf Gänge. Eine Kupplung. Ein so ein dämlicher Knüppel und ein so ein winziges Pedal. Was, verdammt noch mal, war daran so schwer?
»Nicht aufregen, liebste Teddy, ganz ruhig. Man braucht Ruhe, um ein Auto zu lenken. Ruhe und Geduld.«
Die Stimme des Zahnarztes klang hypnotisch, trotzdem hätte ich ihm am liebsten eine reingehauen. Was wusste der Mann schon von meinem Leben? Ich hatte keine Zeit für Ruhe und Geduld. Ich musste das bis Sonntag können!
»Ruhe und Geduld … Ruhe und Geduld …«
»Jaaa«, knurrte ich. »Jaaa, verdammt! Tschuldigung.«
»Liebste Teddy, keine Entschuldigungen, bitte. Ich weiß doch längst, wie viel Feuer in Ihnen steckt.«
Wieder soff der Motor ab.
»Ich geb’s auf! Ich geb’s auf!« Das war mein Ernst. Es würde sowieso nie klappen. Ich war eben nicht so wie andere Menschen. Ich war eben nicht normal .
»Nun ja«, begann Strohmann, »wie war es denn damals in der Fahrschule?«
Ich schnaubte und drehte den Schlüssel wieder nach rechts. Den linken Fuß nach oben, den rechten nach unten – der Motor röhrte, und wir fuhren! Wir fuhren tatsächlich!
»Wir fahren! Wir fahren!«
»Wunderbar, Teddy, na sehen Sie … und jetzt wieder auf die Kupplung und –«
»Was? Was soll ich machen?«
»Links auf die Kupplung – Kupplung, Teddy, Kupplung. Stehen Sie auf der Kupplung? Gas, Teddy, Gas – nicht so viel! Nicht so viel! Kupplung, Teddy, Kupplung und schalten! Nach hinten, zweiter Gang, nach hinten … ähh, oje …«
Dem Zahnarzt schien es mehr auszumachen als mir, dass ich den Motor wieder abgewürgt hatte.
Ich hatte meinen Triumph für heute. Ich hatte es geschafft, anzufahren. Mit Kupplung und Gangschaltung.
Strohmann räusperte sich. »Wollen wir es für heute gut sein lassen?«
Ich nickte. Es war Mittwoch. Noch vier Tage bis Sonntag und der erste Schritt, der wichtigste, war gemacht.
Ich fühlte mich richtiggehend beschwingt. Vielleicht hatte ich deshalb auf dem Heimweg das Bedürfnis, gehobene Konversation zu betreiben und so Sachen zu sagen wie: »Ganz unglaublich, dass wir es Anfang September noch auf dreißig Grad schaffen, nicht wahr?« Und: »Wien ist schon eine schöne Stadt.«
Der Zahnarzt belohnte mich mit sanft vorgetragener Zustimmung und seinem Lächeln mit Wimpernschlag.
Er parkte vor meiner Haustür und stieg mit mir gemeinsam aus. Ich war gerade dabei, die
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