Aschenpummel (German Edition)
war in ihrer Jugend sehr begehrt. Deine Mama hat gewusst, was die Männer verrückt macht.«
Ich steckte mir die Finger in die Ohren und verfiel in eine Art Moonwalk – weg von Mama, nur weg von Mama, noch ein Schritt, noch ein Schritt.
»Aha«, sagte ich laut, »aha, aha, gute Nacht, aha …«
An der Stiege angekommen, drehte ich mich um und preschte nach oben, fünf Stufen auf einmal nehmend. Mit zitternden Fingern versuchte ich, den Schlüssel ins Schloss zu stecken, zweimal fiel er mir herunter. Als ich es endlich geschafft hatte, aufzusperren, riss ich die Tür auf und schmiss sie mit Karacho hinter mir zu. Nie wieder machst du das mit mir, Mama! Nie wieder!
Ich stand vor dem Spiegel und heulte meine frisch geküssten Wangen an. Verdammt noch mal, Teddy, was willst du eigentlich? Den Zahnarzt? Nein! Oder?
Ich angelte mein Handy aus dem Rucksack und drückte die Tasten. Ich musste ihn hören, auf der Stelle, ich musste ihm sagen, dass ich ihn –
»Hallo?«
Ich biss die Zähne zusammen.
»Hallo?«
Ich presste die Lippen aufeinander.
»Wer ist denn da?«
Ich kniff die Augen zu.
Der Pirat legte auf.
Na prima, du Genie, das hast jetzt wieder gebraucht, ja, das war absolut nötig, du Vollkofferweib. Gott, am liebsten hätte ich meinen Kopf in den Spiegel gerammt und mir mit den Scherben die Kehle durchgeschnitten. Eine geköpfte Leiche, deren Hautfetzen sich in tausend kleinen Spiegelsplittern reflektieren.
Ich wählte eine neue Nummer.
»Teddy! Hallo!«
»Hallo, Gisela.«
»Was ist los? Du hörst dich traurig an.«
Ich setzte mich auf den Boden. »Ich hatte nur gerade einen Zusammenstoß mit meiner Mutter. Und dann gibt es da einen Mann, einen anderen als Sigi, er gibt mir Fahrstunden –«
»Okay, Teddy, schön der Reihe nach. Ich hab Zeit. Erzähl’s mir.«
»Dieser Mann sieht viel zu gut aus. Er sieht aus wie Mr. Universum, ist aber Zahnarzt. Und ich verstehe nicht, was er an mir findet.«
»Aber Teddy, das ist doch großartig. Wenn er so phantastisch aussieht, dann kann sein Ego sicher einen kleinen Dämpfer vertragen. Flirte ein bisschen mit ihm, hol dir Selbstvertrauen, das ist vollkommen in Ordnung. Mach ihm halt keine falschen Hoffnungen. Und falls du ihn nicht gut kennst, geh nicht gleich zu ihm in die Wohnung, gell. Den Fehler hab ich kürzlich gemacht. Dachte, die Frau wäre ein scheues Reh.« Sie lachte. »Teufel, das war sie nicht, aber ich weiß mich zu wehren.«
»Und wie würdest du dich gegen eine dominante, klammernde, besserwisserische Mutter wehren, die deinen Alltag kontrolliert und dir vorschreibt, wie du zu leben hast?«
Gisela brauchte nicht lange zu überlegen. »Ich würde ihr klarmachen, dass die Beziehung zwischen euch nur funktionieren kann, wenn der nötige Respekt vorhanden ist. Und natürlich so Dinge wie Wärme, Mitgefühl und Aufmerksamkeit.«
»Respekt«, flüsterte ich in den Hörer. »Du hast recht, Gisela, meine Mutter hat null Respekt vor mir.«
»Und den kannst nur du dir verschaffen. Deine Mutter wird so lange auf ihre Tour weitermachen, wie du sie lässt.«
Ich nickte.
»Teddy? Bist du da?«
»Ach so, ja. Ich bin nur so verblüfft, weil es aus deinem Mund so einfach klingt.«
»Das ist es.«
»Ja, das glaube ich jetzt auch. Verdammt, ja!«
Nach dem Gespräch mit Gisela ging es mir wesentlich besser.
Trotzdem verzichtete ich ausnahmsweise auf die Turnübungen, die mein Intensivprogramm an dieser Stelle vorgeschrieben hätte. Ich begnügte mich damit, vom Sofa aus Desperate Housewifes anzuschauen und ab und zu die Pobacken zusammenzukneifen. Dabei schaufelte ich Mozzarella und Tomaten in mich hinein und sehnte mich nach einem Steak mit Kräuterbutter.
Gott, waren die alle dünn bei Desperate Housewifes, das war doch krank, oder? Was war das überhaupt für ein Leben, so ohne richtiges Essen? Und wer, verdammt noch mal, bestimmt eigentlich, wie eine Frau auszuschauen hat? Wenn eine Frau keine Orangenhaut haben durfte, warum gab es die Scheiß-Orangenhaut dann überhaupt? Und warum lästerten die Weibermagazine über Stars mit Dellen und Löchern in den Oberschenkeln? Weil sie sich insgeheim freuten, dass die eben auch nicht perfekt waren. Niemand war perfekt! Warum wurde uns dann überall eingeredet, wir müssten perfekt sein?
Ich setzte meine Salatschüssel an die Lippen und trank das ganze Essig-und-Öl-Gemisch aus. Meine Kehle brannte, missmutig starrte ich auf Teri Hatchers Zahnstocherbeine. Bis Samstag noch, bis zum Bikinitag, danach
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