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Aschenputtelfluch

Aschenputtelfluch

Titel: Aschenputtelfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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sagte ER. »Das ist eine Angelegenheit, die klären wir untereinander. Dazu brauchen wir keine Lehrer.«
    Hauptsache, Frau Schüler erfuhr nichts.
    Er sah mich nicht an! Nicht ein einziger Blick! Ein Albtraum, ich wusste, das hier war ein Albtraum, der mich wie unter einer Glocke gefangen hielt.
    Er glaubte Pink! Nicht mir! Warum? Dabei würde ich alles für ihn tun! Ja, ich würde mein Herz aus meiner Brust schneiden und es ihm vor die Füße legen.
    »Juliane!« Die Stimme drang nur langsam an mein Ohr, so vertieft war ich. Und ich wollte nicht aufhören zu lesen! Nicht jetzt!
    Aber Frau Sturm verschwand nicht einfach, nur weil ich sie dahin wünschte, wo der Pfeffer wächst.
    »Hier bist du! Ich suche dich im ganzen Haus. Wir wollen mit dem Film beginnen. Ich erlaube nicht, dass du dich ausschließt, also mach den Laptop aus und komm mit!«
    Privatsphäre – ein Wort, das man in Ravenhorst für im mer aus dem Duden gestrichen hatte.

KAPITEL 13
    F ür Sonntag war ein Ausflug nach Weimar geplant. Goe the und Schiller. Alles total der Burner! Es herrschte Teil nahmepflicht – von wegen Kulturausflug und soziales Miteinander. Wir Novizen sollten einander näherkom men. Nun, ich würde sagen, was mich betraf: Experiment misslungen.
    Den ganzen Tag über fühlte ich mich leer, nahm nichts und niemanden wahr. Nicht mal an Nikolaj dachte ich, meine Gedanken kreisten nur um Kira und die Frage, was die anderen mit ihrem Tod zu tun hatten.
    Mittlerweile wurde sie in Ravenhorst so gut wie nicht mehr erwähnt. Auch die Lehrer vermieden dieses Thema. Es war, als hätte Kira nie gelebt, wäre nie auf so brutale Weise gestorben.
    Als wir am späten Nachmittag zurückkamen, rief ich meinen Vater auf seinem Handy an.
    »Wie geht es dir, Kleines?«
    »Nenn mich nicht Kleines!«
    »Du hörst dich irgendwie angespannt an. Ist alles in Ord nung?«
    »Klar!«
    »Wirklich?«
    Daddy hatte eine Fähigkeit, mich auszuloten, die mir manchmal Angst machte. Vielleicht, weil er Polizist war. Er spürte sofort, wenn jemand log oder – wie er es nannte – die Wahrheit zu seinen Gunsten verdrehte. Ich musste also meine ganze Kraft zusammennehmen, um möglichst fröhlich zu sagen: »Alles wunderbar! Wir haben heute einen Ausflug nach Weimar gemacht. Es war wirklich toll . . .«
    »Hört sich aber nicht so an. Du klingst, als hättest du Drogen genommen.«
    »Drogen?«, hörte ich die Stimme meiner Mutter im Hin tergrund. Auch das noch.
    »Ach, Daddy . . .«
    »Nenn mich nicht so! Ich weiß wirklich nicht, was gegen das gute alte Papa einzuwenden ist.«
    »Papa, du hast dich doch erkundigt wegen dieses Mäd chens.«
    »Welches Mädchen?«
    Es ist schrecklich. Wenn Eltern uralt sind, dann kriegen sie nicht nur Panik bei jedem Schnupfen ihres Nachwuch ses, sie werden auch vergesslich bis hin zur Demenz.
    »Das Mädchen, das vom Dach gesprungen ist. Sie hat doch einen Abschiedsbrief . . .«
    »Ja, schreckliche Sache«, unterbrach er mich.
    »Ist sie wirklich gesprungen?«
    Am anderen Ende herrschte einige Minuten Schweigen.
    »Warum fragst du?«
    »Es könnte doch auch ein Unfall gewesen sein.«
    »Ein Unfall?«
    »Na ja, jemand könnte sie . . .«
    »Wovon sprichst du?«
    »War nur so ein Gedanke . . .«
    »Allerdings . . .« Daddy seufzte.
    »Was?«
    »Ich dürfte es dir ja nicht sagen, aber wenn es dich beru higt: Es ist ein klarer Fall von Selbstmord. Auch wenn es nicht direkt einen Abschiedsbrief gibt . . .«
    Nun, ich hätte ihm sagen können, sie hat ein ganzes Ta gebuch hinterlassen, aber seine letzte Bemerkung machte mich stutzig.
    »Was meinst du mit nicht direkt?«
    Er zögerte.
    »Papa!«
    »Es gab einen Zettel.«
    »Einen Zettel?«
    »Er lag neben der Schere, mit der sie sich die Haare ab geschnitten hat.«
    »Im Waschraum?«
    Mein Herz schlug vor Aufregung so laut, dass ich fürch tete, er könnte es bis in den Vorort von Leipzig hören.
    »Ja.«
    »Was stand drauf?«
    »Für Pink!«
    »Für Pink? Und weiter?«
    »Nichts weiter, das war alles. Bereitet dir das Sorgen?«
    Im Hintergrund hörte ich meine Mutter flüstern. »Worü ber macht sie sich Sorgen?«
    Und Daddy entgegnete ebenfalls leise, doch sagte er es in den Hörer, weshalb ich jedes Wort genau verstand: »Wegen des Mädchens, das Selbstmord begangen hat.« Nun sprach er wieder lauter. »Du hast sie doch gar nicht gekannt.«
    »Ich . . .«
    »Da stimmt doch etwas nicht!« Mammi übernahm jetzt. Ich konnte es mir genau vorstellen, wie sie Daddy das Handy aus der Hand riss.

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