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Aschenputtels letzter Tanz

Aschenputtels letzter Tanz

Titel: Aschenputtels letzter Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Weise
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als sei Éloise eine Erscheinung. Dabei übertrugen seine Finger eine brennende Hitze auf ihre Haut. Er war nicht viel größer als sie, schmächtig, mit ausgehöhlten Wangen und einer Brandnarbe im Gesicht, die es ihm unmöglich machte, das linke Auge vollständig zu öffnen. Sie hob sich merkwürdig rosa gegen seine schwarze Haut ab. Er war in einen alten, löchrigen Rock gekleidet, dessen Ärmelaufschläge bereits Fäden zogen, der aber vor langer Zeit einmal einem elegantenHerrn gehört haben musste, denn er war aus kostbarem Brokatstoff, dessen Silberstickereien in der Sonne glänzten. Aber das war nicht das Auffälligste an seinem Aufzug. Um den Hals trug der Mann eine Kette, an der Muscheln, winzige Holzfiguren und kleine Tierschädel hingen. Auch eine getrocknete Schlangenhaut wand sich um das lederne Band, das er sich in mehreren Reihen um den Hals geschlungen hatte. Die Schädel klapperten gegen das Holz und bildeten eine eigene Melodie im Rhythmus der Trommeln.
    Klack-klack-klack.
    Auf ihrem Gesicht konnte Éloise seinen Atem spüren und den Rum darin riechen, dem er bereits reichlich zugesprochen hatte. Der Teufel , dachte sie und versuchte panisch, sich von ihm loszureißen, aber er hielt sie fest und redete auf sie ein. Sie verstand kein einziges Wort. Die Sätze prasselten auf sie ein in dieser merkwürdigen Sprache, derer sich die Menschen hier bedienten und die manchmal wie Musik klang, wenn sie schnell gesprochen wurde – eine Melodie, die verzaubern und willenlos machen sollte.
    »Les morts et les mystères …«, drang es aus dem Mund des Sklaven. Es war gebrochenes Französisch, das wie eine Drohung klang.
    Die Toten und die Geheimnisse.
    Einem Tier in der Falle gleich versuchte Éloise zu entkommen. Sie zog und zerrte, aber es nützte nichts, sein Griff um ihre Arme verstärkte sich nur, und je mehr sie zog, desto fester packte er sie. Niemand um sieherum schien von ihnen Notiz zu nehmen, niemand kam ihr zu Hilfe oder schaute sie auch nur an.
    Als wären sie unsichtbar.
    Ein Schrei löste sich aus ihrer Kehle; Tanguys Namen – immer wieder stieß sie ihn aus, in der verzweifelten Hoffnung, dass er sie hören würde.
    Ihre Hand tastete nach der durchstochenen Münze, die sie an einer goldenen Kette um den Hals trug und die das letzte Geschenk ihrer Mutter gewesen war. Ohne es zu merken, hielt sie dem Schwarzen die Münze mit dem Königsprofil entgegen, wie ein Kreuz, das vor Dämonen schützen sollte.
    Da endlich ließ er sie los, doch nur, um selbst nach seiner Kette zu greifen und sie sich mit diesem furchtbaren Klappern über den Kopf zu zerren.
    Wütend schüttelte er Éloise die Faust entgegen, sodass sie das Ende der Kette beinahe im Gesicht traf. Dabei bewegten sich seine Lippen weiter in einem zornigen Crescendo. Erschrocken taumelte Éloise nach hinten. Sie stürzte, hob die Hände, um sich vor den stampfenden Füßen zu schützen, und zog die Knie an, während sich der Kreis der tanzenden Leiber noch enger um sie schloss und die Trommeln immer wieder zu ihrem hypnotischen Rhythmus ansetzten.
    Tam-tam-tam.
    Éloise kam es vor, als würde sich ihr Mieder von selbst noch enger um sie schnüren. Die Luft blieb ihr weg und die Fischbeinstangen des Mieders drückten unnachgiebig auf die Lunge. Am Rand ihres Gesichtsfeldesblitzten Sterne auf, gefolgt von Schwärze, die von den Seiten näher kroch, während das dumpfe Schlagen der Trommeln und der Gestank nach Rum Éloise in die nahende Ohnmacht begleiteten …
    Doch plötzlich wurde sie fortgerissen, Arme umfassten sie und hoben sie hoch. Der Schrei blieb ihr in der Kehle stecken, denn unter den Fingern spürte sie das weiche Leder einer alten, abgetragenen Weste.
    »Tanguy«, flüsterte sie und hörte noch, wie er antwortete: »Ich bin hier«, bevor die Schwärze sie gänzlich eingeholt hatte und sie dankbar in ihr versank. Jenseits der dunklen Wand war das Schlagen der Trommeln nicht mehr zu hören …

N ur wenige Tage nach ihrer Ankunft auf der Insel Saint-Domingue durchzogen Éloises dunkelbraunes Haar bereits von der Sonne ausgebleichte Strähnen. Die in Locken gelegte Frisur war einem einfachen Knoten gewichen, doch selbst darunter bildete sich noch Schweiß und floss ihr den Nacken hinunter. Inzwischen sah sie aus, als hätte jemand ihre Haut mit Eigelb eingestrichen, denn genau wie Brote im Ofen hatte sie unter der Gluthitze Farbe angenommen.
    Nach nur einer Woche auf dieser Insel am Ende der Welt erkannte sie sich im Spiegel

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