Aschenwelt
meinem Zimmer zu wedeln.
Hinter mir kicherte Anne. »Was machstn da?«
»Meine Mutter!«
»ScheiÃe.« Anne half mir wedeln.
Doch es war zu spät. Viel zu schnell stand meine Mutter in meiner Tür und säuselte: »Bin schon zuhause, Liebes.« Anklopfen hielt sie nicht für nötig. »Warum hast du denn das Fenster auf? Du verschwendest Energie.«
Ich verdrehte die Augen. »Es ist Sommer. Lass uns in Ruhe.«
Meine Mutter reagierte nicht auf meine Unfreundlichkeit, sondern schnüffelte mit Nüstern wie ein Pferd und musterte mich zerkniffen. Dann verlegte sie sich darauf zu lächeln, mit diesem nervtötenden, gespielt traurigen Blick, wünschte mir einen schönen Tag und zog die Tür hinter sich zu.
»Schlampe«, murmelte ich. Wir mochten uns damals nicht.
Anne schaute mich erschrocken an.
»Sie hat dich nicht einmal angeschaut, geschweige denn gegrüÃt!«, regte ich mich auf.
»Das mein ich nicht«, sagte Anne. »Sie hat gemerkt, dass wir gekifft haben und nichts gesagt! Krass!«
Ich zuckte mit den Schultern. »Seit sie zu diesem Psychoheini geht, darf ich alles.«
»Aber trotzdem hast du wie blöde gelüftet.«
»Man kann nie wissen«, entgegnete ich. »Bei so Psychoheinis weiÃt du nie, was sie dir für Ratschläge geben.«
Ich warf mich auf mein Bett, starrte an die Decke, sprang wieder auf und riss meinen Schrank auf. Anne beobachtete mich wortlos. Ich hatte eine Idee.
So wie die Welt nicht mehr die war, die sie hätte sein sollen, so wollte auch ich nicht mehr die Gleiche sein. Aus meinem Kleiderschrank holte ich eine Tube und präsentierte sie Anne.
»Haarefärben?«, fragte Anne, und ich nickte. »Cool! Ich mach, ok? Aber nur bei dir, ich lass meine so wie se sind.«
»Kein Problem, reicht sowieso nur für meine Strubbeln.«
»Du hast schöne Haare.«
»Klar.« Ich lachte trocken.
»Doch«, beharrte Anne. »Alles an dir is schön. Auch wenn du es nich wahrhaben willst.«
»Komm jetzt, Haarefärben.«
Ein Kribbeln lief mir über den Rücken, als Anne mir die Farbe in die Haare massierte. Ich wünschte, es würde ewig so weitergehen. Doch irgendwann klebte die komplette Tubenfüllung auf meinem Kopf und Anne wickelte eine Plastiktüte darum. Nun hieà es warten und einwirken lassen.
»Schau mal, und das machen wir jetzt«, sagte ich, als wir wieder in meinem Zimmer waren und ich ein weiteres Utensil aus meinem Schrank geholte hatte.
Anne schaute mich fragend an.
»Na, das hier!« Ich hielt mir eine daumenlange Sicherheitsnadel ans Ohr.
»Bist du irre?«, rief Anne. »Das tut doch weh und wird sich garantiert entzünden!«
Kurz wurde ich unsicher, dann fasste ich mich wieder. Ich wollte das haben, scheià auf den Schmerz.
»Hilfst du mir?«, bat ich.
Anne starrte mich mit offenem Mund an. »Lass es«, sagte sie. »Das tut bestimmt höllisch weh.«
»Na und? Das lenkt von dem ganzen anderen Mist ab.«
»Und wie willst du das bitteschön machen?«
»Damit.« Ich zeigte ihr einen Radiergummi und eine Kerze. »Nadel heià machen, Radiergummi hinters Ohr, durchstechen. Aber das musst du machen, alleine schaff ichâs nämlich nicht, hab ich schon versucht.«
Anne wurde kreidebleich und wirkte, als müsste sie sich gleich übergeben.
»Meinst, du kannst das?«
Anne schüttelte den Kopf.
»Bitte«, sagte ich mit Hundeblick.
»Du bist total irre.«
»Ja.« Ich grinste.
Anne atmete tief durch und nahm mir die Sachen aus der Hand. Sie erhitzte die Nadel in der Kerzenflamme, drückte den Radiergummi hinter meine rechte Ohrmuschel, führte die Nadel zögerlich an mein Ohr und warf dann alles auf den Tisch.
»Ich kann es nicht.«
»Bitte, bitte«, bat ich. »Ein kurzer Stich und alles ist vorbei. Du spürst doch gar nichts.«
»Aber ich kann dir nich wehtun!«
Ich schaute sie an. Ich hätte sie küssen können, jetzt und auf der Stelle. Aber nein, den Kuss musste sie sich erst verdienen. Ich wollte die Sicherheitsnadel im Ohr haben, egal wie.
»Steck sie doch durch ein vorhandenes Loch durch«, schlug Anne vor. »Hast doch genug.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, jedes Ohrloch hat seinen ganz speziellen Bewohner. Und die hier«, ich nahm die Nadel vom Tisch, »muss von Hand gestochen werden, sonst taugt
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