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Aschenwelt

Aschenwelt

Titel: Aschenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timon Schlichen Majer
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schlafen?«
    Â»Nein, ich bin hell wach. Und ich will es dir jetzt vorlesen.«
    Â»Gut, ich bin sehr gespannt.«
    Â»Ein bisschen noch.« Jo vergrub sich noch ein wenig tiefer in Nadeschdas Schoß.

    Als ich wieder zu mir komme, liege ich auf einem von Asche bedecktem Boden. Über mir wölbt sich der Sackleinenhimmel, der jetzt erstarrt ist. Keine Schatten huschen über ihn hinweg wie sonst. Ich will aufstehen, aber ich kann mich nicht bewegen, bin wie auf dem Boden festgeklebt. Eine schier undurchdringliche Stille umgibt mich. Sie legt sich auf meine Ohren, und alles, was ich hören kann, ist mein eigener Atem und das zähe Klopfen meines Herzens. Ich habe das unbestimmte Gefühl, dass mich jemand beobachtet, kann aber niemanden entdecken. Ich drehe meinen Kopf nach links und nach rechts, doch überall bieten sich mir nur die zerfallenen und verbrannten Ruinen. Nichts bewegt sich, nichts lebt.
    Lange Zeit liege ich dort und versuche immer wieder vergeblich, aufzustehen. Ich bin tot, kommt mir in den Sinn. Ja, so ist es wohl. Nur bin ich nicht im Himmel gelandet sondern in der Hölle. In meiner Hölle. Ich bin alleine. Oder doch nicht? Ich reiße meinen Kopf herum. Aber da ist niemand. Mein Gefühl trügt mich.
    Ich schreie um Hilfe. Ich schreie nach jenem, der sich vor mir versteckt. Es rührt sich nichts, niemand kommt. Die Stille bleibt. Und die Einsamkeit und dieser ausgestorbenen Welt.
    Ich spüre keine Schmerzen. Das Pochen in meinem geschwollenen Gesicht ist ebenso verschwunden wie das Jucken auf meiner Haut. Die Würmer sind also nicht mit mir in die Hölle gefahren. Ein schmaler Trost. Ich habe nicht einmal Durst, auch keinen Hunger, nichts, keinerlei Gefühl, dass ich lebe. Nur das unbändige Verlangen nach den Steinchen ist geblieben und durchströmt mich immer und immer wieder. Ich sehne mich nach ihrer kraftspendenden Wirkung. Dann könnte ich mich von diesem Boden losreißen. Ich will weinen, aber es geht nicht. Eine unendliche Leere macht sich in mir breit. Und das Bewusstsein, dass ich hier für alle Ewigkeiten liegen werde. Hier gibt es kein Entkommen, keinen Ausweg, keine Hilfe.
    Ich liege da und denke an Anne. Meine Kehle zieht sich zusammen, als ob eine Hand sie zerdrückt. Eine andere Hand gesellt sich zu ihr und drückt meine Luftröhre zu. Stück für Stück wandern die Hände tiefer, drücken, quetschen, bis sie schließlich mein Herz erreicht haben.
    Ich wünsche mir so sehr, dass ich noch ein einziges Mal Anne um Verzeihung bitten kann. Warum habe ich sie gezwungen, mich immer und immer wieder in diese Hölle zu begleiten? Hier gibt es nichts außer Asche, Tod und Einsamkeit. Und meine Strafe soll sein, hier für alle Ewigkeit zu leben. Oder nicht zu leben.
    Nur hilft es nichts, in Selbstmitleid zu versinken.
    Nein, Jo. Dafür ist es viel zu spät. Das hätte dir früher einfallen sollen.
    Bekomme ich noch eine Chance?
    Nein, du hattest genug davon und hast sie einfach weggeworfen wie den Stoffhasen.
    Aber ich wollte doch nur glücklich sein!
    Mit Drogen? Ist das dein Ernst?
    Die Schmerzen vergessen.
    Ha! Du bist vor ihnen davongelaufen!
    Das ist nicht fair!
    Warst du fair, als du noch gelebt hast? Nein. Siehst du. Kein einziges Mal. Zu niemandem.
    Das stimmt nicht.
    So? Wann warst du dir selbst denn nicht die Wichtigste?
    Bei Anne. Anne war mir immer wichtiger als ich selbst.
    Pah, dass ich nicht lache.
    Dann lach eben. Ich weiß es, und nur das zählt. Und nun hör auf, mich schlecht zu machen. Es reicht.
    Ich war nur ein Mensch, der sein Bestes versucht hat. Hörst du?
    Keine Antwort. Stille.
    Hallo? Wo bist du jetzt? Komm zurück! Lass mich nicht alleine.
    Etwas verändert sich in der Aschenwelt. Ich höre ein Rauschen, wie eine Windböe, die in weiter Entfernung durch Baumkronen bläst. Wind kommt auf und nähert sich mir. Das Rauschen wird lauter und bald spüre ich die erste Böe auf meinem Gesicht.
    Die Asche um mich her wird aufgewirbelt, türmt sich auf. Der Sturm fährt in sie, peitscht die Asche hoch hinauf und verdunkelt alles. Ich bekomme kaum mehr Luft und huste. Und dann, völlig unvorbereitet, kann ich mich wieder bewegen, als hätte der Wind auch den Kleber unter meinen Händen und Füßen davongeweht. Ich reiße meine Hand vor Mund und Nase, um nicht zu ersticken, und kämpfe mich auf die Beine. Die Aschewolke reicht inzwischen bis zum

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