Aschenwelt
gelingen wollte. »Alles gut. Mir ist nur die Decke auf den Kopf gefallen und ich musste raus.«
»Du hast dich mit Kevin gestritten«, stellte Nadeschda fest.
»Wir hatten eine kleine Meinungsverschiedenheit. Das wird schon wieder. Ich brauch jetzt nur etwas Abstand.«
»Ging es um mich?«
Jo schüttelte den Kopf.
»Es ging um mich«, sagte Nadeschda. »Du kannst ruhig ehrlich zu mir sein. Ich hab damit kein Problem.«
»Er ist eifersüchtig«, sagte Jo. »Nichts weiter. Der kriegt sich schon wieder ein. Der braucht eben endlich eine Freundin! Und ich glaube, dass ich ihm da im Weg stehe. Solange ich da bin, findet er einfach keine.«
»Ist er in dich verliebt?«
»Schon immer«, sagte Jo.
»Armer Kerl«, sagte Nadeschda.
»Ja, ist er. Aber jetzt sehe ich ein, dass es einfach unsinnig ist, weiter mit ihm zusammenzuwohnen. Ich genieÃe es zwar, umsorgt zu werden. Aber es ist nicht fair ihm gegenüber. Er macht sich dann weiterhin Hoffnungen und kommt nicht von mir los. Und so wird er dann nie eine Freundin finden.«
»Ist irgendwie ein schwieriges Verhältnis bei euch«, sagte Nadeschda. »Ich mein, mit eurer gemeinsamen Vergangenheit.«
»Kann sein«, sagte Jo. »Aber wir haben uns echt gern, auch wenn es früher anders war.«
»Meinst du nicht, dass du vielleicht denkst, in seiner Schuld zu stehen, weil er dir damals das Leben gerettet hat?«
»Das war mal«, sagte Jo. »Ist aber nicht mehr.«
»Vielleicht sollten wir ihm einfach eine Freundin suchen?«, schlug Nadeschda vor.
»Hab ich schon versucht«, sagte Jo. »Funktioniert nicht. Das einzige, was hilft ist, dass ich Abstand zu ihm halte. Und jetzt lass uns bitte zu dir gehen. Mir ist kalt und ich will nicht mehr darüber reden.«
Noch auf dem Weg zu Nadeschdas Wohnung klingelte Jos Telefon. Sie war sich sicher, dass es Kevin war und lieà es daher in ihrer Tasche stecken. Als der Anrufer aber auch ein zweites und ein drittes Mal immer noch nicht locker lieÃ, zog sie ihr Telefon doch hervor und bemerkte überrascht, dass es ihre Mutter war, die sie so dringend zu erreichen versuchte. Es schien sehr wichtig zu sein, so hartnäckig wie sie war. War etwas geschehen? Jo nahm ab.
»Hallo, Mama«, grüÃte sie in möglichst entspannt klingendem Tonfall.
»Gehtâs dir gut, Liebes?«, fragte ihre Mutter.
»Ja ja, alles gut.«
»Kevin hat mich gerade angerufen«, sagte ihre Mutter.
Jos Mundwinkel fielen nach unten. »Ja?«
»Also, er meint, dass es dir nicht so gut geht.«
»Ach der«, sagte Jo. »Der macht sich mal wieder umsonst Sorgen um mich.«
»Johanna«, sagte ihre Mutter und machte danach eine kleine Pause. »Er hat mir etwas erzählt.« Sie klang so, als wüsste sie nicht recht, wie sie es sagen oder ausdrücken sollte. »Ãber Nadeschda â¦Â«
Jo schloss die Augen. »Mama. Ich will nichts davon hören! Okay? Kevin soll sich beruhigen und endlich eine Freundin finden!«
»Liebes, ich bin nicht seiner Meinung über Nadeschda. Er hat mir erzählt, was er herausgefunden hat. Aber ich seh das anders â unter gewissen Umständen. Das wollte ich dir sagen. Mehr nicht.«
»Unter gewissen Umständen?«
»Ja. Aber das möchte ich mit Nadeschda persönlich klären.«
»Mama, jetzt hör mal genau zu: Ich will, dass Kevin uns in Ruhe lässt. Und ich will auch, dass du uns in Ruhe lässt. Okay? Ich hab es satt, dass ihr euch immer in mein Leben einmischt!« Sie legte auf.
»Deine Mum?«, fragte Nadeschda.
»Ja, hat sich Sorgen um mich gemacht. Oder wahrscheinlich eher Kevin.«
»Klang aber anders.«
»Alles gut«, sagte Jo. »Lass uns zu dir gehen. Ich hab jetzt echt die Schnauze voll von allem. Will nur noch zu dir ins Bett und schlafen.«
Vier
Jo saà in Nadeschdas Bett, die Knie angezogen, darauf das Buch, in ihrer Hand der Stift. Nadeschda lag neben ihr und las. Die Seite in Jos Buch leuchtete blank weià und sie wusste nicht, wie sie weitermachen sollte. Wenn sie ehrlich war, wusste sie nicht einmal, ob sie überhaupt weiterschreiben sollte. Bislang war alles gut gegangen, ihre Geschichte floss förmlich aus ihrem Füller. Bislang musste sie auch noch nicht über ihre Zeit in der Klinik schreiben. Es gab vieles, an das sie sich nicht mehr erinnern konnte, ganze Tage waren aus ihrem
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