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Ascheträume

Ascheträume

Titel: Ascheträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio Temporin
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ich.
    Diese Worte, die ich leise ausgesprochen hatte, verursachten ein seltsames Gefühl auf meiner Haut, denselben Schauder wie damals, als ich ein Kind gewesen war und meine Mutter mich einmal in einem Supermarkt aus den Augen verloren hatte.
    Das hier war keine Stadt.
    Die vereinzelten schwarzen Gebäude, die ich von Weitem gesehen hatte, sahen aus wie Brandruinen.
    Ich lief durch die breiten Straßen, die in Wirklichkeit Aschewege waren, dabei sah ich mich ständig um und versuchte, mir einzureden, dass nun alles besser werden würde.
    Hier musste doch jemand sein! Ich kam mir vor wie in einem dieser verfluchten Zombie-Filme, die Leonard uns immer vorführte. In allem, was mich hier umgab, war nichts, das mir Sicherheit geben konnte. Selbst in der Anordnung der Gebäude gab es keinerlei Logik, sie schienen wie Würfel in die Wüste geworfen worden zu sein.
    Einige waren krumm und schief, andere waren zur Hälfte und wieder andere ganz im Sand versunken. Manche waren eingefallen oder umgestürzt. Es war wirklich verstörend.
    Die verwüstete Landschaft war nicht nur mit Häusern gespickt, sondern auch mit verbrannten und halb kaputten Autos, verkohlten Lastwagen, Industrieanlagen, die ein Raub der Flammen geworden waren, und sogar Schiffen.
    Es gab alles, was man sich nur vorstellen konnte, aber alles war verbrannt.
    Ich blieb reglos stehen und überlegte, was das zu bedeuten hatte, doch ich hätte es wahrscheinlich nicht mal in einer Million Jahre begriffen. Vielleicht war genau das die Zeit, die ich noch hier verbringen musste. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wie an einem Ort, an dem der Mond ein stillstehendes Loch am Himmel war, Zeit vergehen konnte.
    Dann geschah plötzlich etwas, das mir einen Schock versetzte.
    Ein Windstoß kam von rechts und riss ein Gebäude um.
    Ich konnte nicht glauben, was ich da sah – ein ganzes Haus, das mir bis vor einem Augenblick noch solide zu stehen schien, zerbröckelte in winzig leichte Teilchen. Und wurde vom Wind fortgetragen. Auch das Haus war aus Asche.
    Alles war aus Asche.
    Eine graue Welt aus Asche.
    Ich blickte der Wolke nach, die sich für einen Moment aufzulösen schien, doch dann sah ich, dass sie wieder dichter wurde und sich heftiger drehte und dass sich am Ende das Haus an einem anderen Ort wieder zusammensetzte – es sah genauso aus wie vorher.
    »Das ist Wahnsinn!«, murmelte ich.
    Meine Nerven, die zum Zerreißen gespannt waren, rissen, und ich schrie: »Ich will weg! Ich will hier weg!«
    Meine Stimme schallte in alle Richtungen. Doch es kam kein Echo zurück. Vielleicht hatte sie nur eine andere Mauer zum Einsturz gebracht.
    Ich nahm eine Bewegung hinter mir wahr.
    Ein Rauschen. Schleppende Schritte.
    Langsam drehte ich den Kopf.
    Aus dem Augenwinkel sah ich die Umrisse eines Mannes. Ich fuhr herum, und genau in diesem Augenblick zerfiel die Gestalt zu Staub und verwehte in der Luft.
    »Nein!«, brüllte ich und streckte automatisch die Hand nach ihm aus, als könnte ich es verhindern. Ohne dass ich darauf gefasst gewesen wäre, packte mich eine Sekunde später etwas am Hals.
    Grob.
    Es tat weh.
    Ich konnte mich gerade noch rechtzeitig aus der Umklammerung herauswinden. Als ich mich umdrehte, sah ich eine Schreckgestalt, so grauenerregend, so mörderisch, dass mir fast das Herz stehen blieb.
    Das einzig Menschliche an ihr waren die Arme und die Beine. Der Rest war ein verbrannter Körper ohne Augen. Der Kiefer stand weit offen und hing herunter, ein heiserer Schrei drang daraus hervor. Die Kreatur schien zu leiden, gleichzeitig aber schien sie die volle Absicht zu haben, mir Leid zuzufügen.
    Von Grauen gepackt wich ich zurück. Alles, was ich durchgemacht hatte, seit ich in diese Welt geworfen worden war, war nichts im Vergleich zu der Todesangst, die mich in diesem Moment packte.
    Alle Muskeln meines Körpers waren angespannt wie ausgefranste Seile, an denen zentnerschwere Gewichte hingen. Die Kreatur bewegte sich unkoordiniert und zeigte mit dem Finger auf mich. Von ihrem gräulichen, rissigen Fleisch hingen Aschefetzen herab. Es war, als würde sie mich nicht sehen, als würde sie mich lediglich spüren.
    Eine Flucht schien nicht möglich. In meiner Angst, die ich noch nie so real gefühlt hatte, stand ich da wie festgenagelt. Ich spürte die Adern an meinem Hals pulsieren, ich bekam keine Luft mehr.
    Hinter diesem widerlichen Wesen tauchten nun andere auf. Sie kamen aus den Häusern, sprossen aus dem Boden, krochen aus den Fenstern der

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