Ash
durch die dunklen Straßen des Viertels bis zu einem alten Fabrikgebäude. Es liegt vollkommen im Dunkeln und sieht unbewohnt aus. Ich frage mich, was wir hier wollen. Erst, als wir näher kommen, kann ich sehen, dass die Fenster geschwärzt wurden, sodass kein Licht herausdringt.
„ Vorsichtsmaßnahme gegen Mutanten“, erklärt Alec, als er meinen verwunderten Blick bemerkt. „Nicht, dass die oft hierherkommen. Aber wenn, dann gibt es ein paar andere Häuser, die wir sporadisch beleuchten, um sie auf eine falsche Fährte zu locken. Hat bisher ganz gut funktioniert. Wir waren denen nie wichtig genug, genau hinzusehen.“
Als wir das Fabrikgebäude betreten, staune ich nicht schlecht. Drinnen ist es warm, hell und aufgeräumt. Vollkommen anders als von außen. Überall laufen Menschen herum, die uns ziemlich erschrocken anstarren. Ganz bestimmt sind Ash und Saron die ersten Mutanten, die dieses Gebäude betreten. Nachdem Alec ihnen versichert, dass unsere Anwesenheit o. k. ist, beruhigen sie sich, lassen uns aber nicht aus den Augen. Immerhin – mir fällt auf, dass Alec hier ziemlich viel zu sagen hat. Die meisten hören auf ihn.
„ Wir leben hier mit unseren Familien. Wir sind den Umständen entsprechend gut eingerichtet. Wir haben Ärzte, Lehrer, Wissenschaftler, die wichtigsten Medikamente … Wasser … na ja, was man halt so braucht.“
Ich lasse meinen Blick durch die große Halle schweifen. Überall wird gearbeitet, aber nicht wie bei Magnatec an Bildschirmen. Hier stehen Frauen, die Stoffe sortieren und Kleidung daraus fertigen, woanders wird Wäsche gewaschen oder es werden alte Möbel aufgearbeitet und repariert.
„ Wir sind Meister des Recyclings geworden. Unsere kleine Gemeinschaft funktioniert fast ausschließlich dadurch: Nachdem wir einige alte Armeelager gefunden haben, kamen wir auf die Idee, einfach aus allem etwas zu machen, was wir finden. Bei uns wird kaum etwas weggeworfen.“ In Alecs Stimme klingt Stolz mit, und ich finde, dass die Rebellen wirklich stolz darauf sein können, was sie sich hier erschaffen haben. Ganz bestimmt lebt es sich hier besser als in dem Viertel, in dem ich mit Sid gewohnt habe. Bei dem Gedanken an meinen Bruder tut mir das Herz weh. Aber Alec erzählt schon weiter.
„ Wäsche wird nicht von jeder Familie selbst gewaschen, das würde zu viel Wasser und Energieressourcen kosten. Wir sammeln und verteilen Waschmarken an die Familien, die sie sich einteilen.“ Alec zuckt die Schultern. „Zugegeben - es ist wahrscheinlich nicht annähernd so komfortabel wie ein Mutantenapartment. Aber im Grunde haben wir alles, was wir brauchen.“ Er wendet sich an Ash. „Ihr bekommt Zimmer, wie jeder, der sich uns anschließt. Ihr könnt etwas essen und euch ausschlafen. Morgen werden wir in Ruhe reden. Ich denke, einige von uns sind beunruhigt, dass ihr hier seid. Ich muss mit ihnen sprechen. Besser ihr macht euch für heute unsichtbar.“
Mir ist das recht. Ich habe Hunger, und ich fühle mich erschlagen. Der Tag war eine einzige mörderische Kraftanstrengung – zuerst Magnatec, dann die Blutspende für Ash … und der Weg hierher.
Alec führt uns durch die Halle und von dort in einen ruhigeren Trakt. Hier leuchten nur ein paar funzelige Led's an den Wänden. Wir bekommen Zimmer am Ende des Flurs, direkt nebeneinander.
„ Dieser Trakt wird noch nicht bewohnt. Ich denke, es ist besser, wenn ihr erstmal alleine bleibt.“
Als Saron und Leyla in ihrem Raum verschwunden sind, sieht Alec uns noch einmal ernst an. „Ich hoffe, deine Formel taugt was. Denn das ist im Augenblick eure einzige Chance, euch einen Platz hier zu sichern.“
Ash nickt, dann verabschiedet Alec sich von uns.
Als Ash die Tür hinter uns schließt, sehe ich nur noch das Bett. Es ähnelt dem in Leylas und Sarons Haus – Metallstäbe, wahrscheinlich ein altes Krankenhausbett. Einige der Stäbe scheinen nachträglich angeschweißt worden zu sein. Ein echtes Recyclingbett! Aber als ich mich auf die Matratze fallen lasse, ist sie ein Traum – nicht zu hart und nicht zu weich. Das Zimmer ist einfach, aber sauber. Die Wände sind aus Backsteinmauern, auf dem Boden liegt ein mattenartiger Teppich, dessen Material ich nicht zuordnen kann. Überraschenderweise ist er nicht kalt, als ich meine Schuhe ausziehe. Es gibt sogar ein kleines Badezimmer mit einer Nasszelle. Das Wasser kommt aus einem Boiler und ist warm. Ich bin im Himmel!
Als es zaghaft an der Tür klopft, öffnet Ash. Dem armen Mädchen, das
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