Ash Grey
zurechtkomme.
Mein Stiefvater behauptet, dass ich mich bei irgendwelchen Jungs durchschnorren würde, aber das stimmt nicht. Dass er mich im Endeffekt eine Schlampe nennt ist mir nicht egal, aber mir fällt keine passende Reaktion darauf ein. Sie kennen mich nicht und sie hören nicht zu, also glauben sie was sie glauben wollen.
Ich gehe wieder ohne etwas zu kaufen. Auch von den Modeschmuckständen kann ich mich losreißen. Eigentlich habe ich eine Schwäche für Ohrringe, aber heute bleibe ich stark. Mir gefallen die, die ich trage. Kleine, glitzernde Stecker, silberne Kreuze und schlichte runde Kreolen. Ich habe drei Löcher auf jeder Seite, das Stechen hat nicht wehgetan.
Es ist bewölkt und ich frage mich wie lange es noch trocken bleibt. Mir wird seltsam zu mute, als ich über das Wetter nachdenke. Im Sommer kann man draußen übernachten, selbst wenn es regnet, aber der Winter ist kalt. Ich friere immer schnell. Es stehen viele heiße Tage an, also höre ich auf mir Sorgen zu machen. Ich drehe die Musik lauter.
Meine Augen werden groß, als ich die Gitarren im Schaufenster sehe. Ich bleibe sofort stehen. Das Geschäft ist neu, hier war früher ein Antiquitätenhändler, dann waren die Fenster lange verklebt.
Ich erinnere mich, dass Juli letzten Freitag von einem neuen Musikgeschäft gesprochen hat. Er hat sich mit Hannes darüber unterhalten, also habe ich nicht genau hingehört. Die beiden reden gerne über Instrumente, so als hätten sie Ahnung. In Wirklichkeit fehlt ihnen das nötige Sitzfleisch um eines zu erlernen. Mir fehlt es auch. Ich würde gerne Schlagzeug spielen, aber das ist abwegig. Jens hat es mich mal versuchen lassen, ich habe kein Talent dazu.
Über der Eingangstür hängen Luftballons in grau und gelb. Ein paar sind schon zerplatzt. Es sieht so aus, als hätten sie heute eröffnet. Durch die Glastür sehe ich viele Leute, alle auffällig jung. Ein paar von ihnen kenne ich von Konzerten, oder aus Clubs. Sie gehören zu einer Szene die mir nicht unbekannt ist. Musikverrücke, Gitarrenliebhaber und Festivalfanaten. Ich sehe Julis Hinterkopf und zögere nicht lange. Er steht dort mit zwei Mädchen die oft an ihm kleben. Er kennt viele Mädchen, die meisten laufen ihm einfach so hinterher. Ich bin nicht in ihn verliebt, aber Dina. Als ich neben ihm stehen bleibe, grinst er sofort.
>> Kim << , spricht er meinen Namen aus und gibt mir einen Kuss
auf die Wange.
Die beiden Mädchen beginnen zu tuscheln und wenden sich ab. Ich erlebe diese Reaktion so oft, dass ich sie kaum noch wahrnehme.
>> Na, willst du dir wieder einen Musiker aufreißen? <<
Ich schnaube nur, sehe mich aber u m, weil ich plötzlich paranoid werde.
>> Keine Angst, Jens und die anderen sind nicht hier, die kommen nicht hierher. <<
Ich lasse mir Julis Satz durch den Kopf gehen, trotzdem verstehe ich ihn nicht ganz. Mein Blick streift über die glänzenden Gitarren, hinüber zu den Schlagzeugen bis hin zu einer Gruppe Leute die vor und hinter dem Verkaufstresen stehen. Einer von ihnen trägt ein weißes Linkin Park T-Shirt, tailliert geschnitten. Ich hasse diese schwarzen, weiten Band-Shirts, sie stehen niemand. Er sieht zu mir hinüber und ich richte meinen Blick wieder auf Juli. Er hatte ein hübsches Gesicht, zumindest glaube ich das erkannt zu haben.
>> Kaufst du dir endlich eine Gitarre? << , will ich von Juli wissen und löse damit ein deprimiertes Kopfschütteln bei ihm aus.
>> Nein, ich war nur neugierig. Was suchst du hier? <<
Ich zucke mit den Schultern, sehe eine Sekunde lang wieder hinüber zum Tresen. Dort stehen jetzt noch mehr Leute. Ich sehe den Jungen im Linkin Park Shirt nicht mehr.
>> Ich hab dich durchs Schaufenster gesehen. <<
>> Also bist du meinetwegen hier? << , fragt Juli.
Sein Tonfall wird anders. Er flirtet mit mir. Eigentlich macht er
das nur wenn er betrunken ist, aber bei meiner Vorlage kann ich es ihm nicht verübeln.
>> Wenn du mich sehen willst, kannst du gerne bei mir vorbeikommen. Du musst mich nicht extra stalken. <<
Ich lächle, weil ich zeigen will, dass ich den Scherz verstanden habe. Juli grinst auch. Ich bin mir nicht sicher, wie ernst es ihm war. Ich will gar nicht über sein Angebot nachdenken, weil ich ansonsten abwägen müsste, ob ich irgendwann mal darauf zurückkommen kann. Ich will nichts mit ihm haben, aber ich brauche bald einen Platz zum Schlafen.
>> Bist du morgen im Excel? <<
Ich nicke.
>> Ja. <<
Er hätte gar nicht fragen müssen, schließlich sind wir
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