Ash Grey
Hand nach mir aus, als ich nach meinen Ohrstöpseln greife. Ich reiche ihm den linken. Er beugt sich ein wenig zu mir hinunter und schmunzelt sofort.
>> You call me strong, you call me weak but still your secrets I will
keep << , singt er leise mit und verstummt dann wieder.
Seine Stimme klingt wie die eines Synchronsprechers, gänsehauterregend melodisch. Ich will, dass er weitersingt, aber er gibt mir den Ohrstöpsel zurück.
>> Stehst du auf 3 Doors Down ? <<
>> Ja, aber ich mag viele Bands. <<
>> Warum warst du im Laden? <<
Vielleicht will er wissen ob ich Ash Grey kenne, ob ich die Band kenne in der er singt. Ich zucke mit den Schultern.
>> Ich war nur neugierig und dann hab ich einen Freund durchs
Schaufenster ges ehen. <<
Er nickt und macht einen Schritt zurück.
>> Magst du Coverbands? <<
>> Kommt darauf an was sie covern. <<
>> Rock, Nu Metal ein wenig New Prog. Eigentlich alles von Linkin Park über Muse bis zurück zu Bon Jovi . <<
Ich lächle, weil mich die Art wie er über Musik spricht fröhlich macht. Nicht viele Independent Musiker wirken dabei so unbeschwert. Die meisten sind verbissene Besserwisser die sich für unverstandene Genies halten.
>> Das klingt nach einer guten Mischung. <<
>> Ja, das hoffe ich. Meine Band spielt morgen im Moon. Kennst du den Club? <<
Ich nicke. Das Moon ist jedem ein Begriff der gerne Rock Musik hört. Dort treten immer Bands auf. Manchmal auch große Namen. Jennifer Rostock waren mal dort, genau wie die Guano Apes .
>> Vielleicht kommst du ja vorbei und hörst dir an was wir spielen. Wir sind gegen halb zwölf dran. <<
Er lächelt, genauso freundlich und melancholisch wie vorhin im Laden. Diesmal gehört sein Lächeln mir.
>> Ja, sicher. Wieso nicht. <<
Ich frage mich ob er so Werbung macht, ob das seine Marketingstrategie ist. Er will, dass ich seine Band höre. Bevor er sich abwendet, hebt er die Hand. Ich nicke ihm zu. Er verschwindet hinter einem Häuserblock.
Als ich in den Bus steige ist mir seltsam zumute. Wäre mein Leben einfach, könnte ich mich auf sein Konzert freuen. Ich unterdrücke mein Selbstmitleid weil es mir nicht weiterhilft. Sicher tue ich mir leid, aber was macht das für einen Unterschied?
Zuhause ist es ruhig. Ich ermahne mich es nicht mehr so zu nennen – zuhause. Während ich meine Sachen packe, läuft die Stereoanlage ganz leise. Mein Zimmer ist winzig. Früher war das hier die Speisekammer. Als wir eingezogen sind, hatte ich das Zimmer am anderen Ende des Flurs. Es gab genug Platz für mich, heute gibt es den nicht mehr.
Ic h bekomme meinen Rucksack voll. Meine Kleidung steckt in der Reisetasche meiner Mutter die schon draußen im Flur steht. Ich kann nicht schlafen. Als ich aufhöre mich im Bett zu wälzen ist es nach vier.
KONZERT IM MOON
Ich träume von Gitarren. Sie spielen von alleine, gespenstisch schön. Für eine ganze Weile darf ich ihnen zuhören, dann wird es kalt. Der Winter macht mir Angst. Irgendwie haben mich alle vergessen. Ich weiß nicht wo ich hin soll, also bleibe ich sitzen, draußen im Schnee, solange bis ich weg bin.
Als ich aufwache muss ich weinen. Mein Nacken tut weh, weil er verspannt ist. Ich spiele mit dem Gedanken zu betteln, aber das würde nichts nützen. Zum Glück kann ich es mir ausreden.
Ich ziehe mich an, wie jeden Tag, dann gehe ich in die Küche. Meine Mutter und mein Stiefvater frühstücken.
>> Ich gehe dann mal. <<
Mehr sage ich nicht. Ich versuche gleichgültig zu wirken. Als meine Mutter aufsteht und mich umarmt, werde ich wütend.
>> Wir werden uns trotzdem sehen! Lass uns nächstes Wochenende shoppen gehen! <<
Nein, ich muss gehen weil du mich nicht mehr sehen willst, das ist der Punkt.
>> Dein Vater hat bestimmt schon ein schönes, großes Zimmer für
dich! <<
Sie bekommt glasige Augen. Ich würde sie gerne anschreien. Sie hat kein Recht zu weinen, ich darf schließlich auch keine Gefühle zeigen.
>> Mach´s gut Kim! Ich hab dich lieb. <<
Nein, das hast du nicht.
>> Ja, mach´s gut. <<
Ich schließe die Tür hinter mir und es ist vorbei. Als ich das Haus verlasse, fällt mir ein Stein vom Herzen. Ich dachte es würde schwer werden, aber das ist es nicht. Zum ersten Mal fällt mir auf, dass ich gerne gehe, dass es schwieriger für mich war zu bleiben, obwohl sie mich nicht wollen.
Ich fahre in die Stadt. Meine Tasche und meinen Rucksack verstaue ich in einem Schließfach am Bahnhof.
Heute scheint die Sonne. Das gute Wetter hebt meine Stimmung. Ich
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