Ash Mistry und der Dämonenfürst (German Edition)
ohrenbetäubend, als die Schiebetore auseinanderrollten und helles Licht durch die Bullaugen des Flugzeugs hereinfiel. Jimmy setzte sein Headset auf und begann, die Armaturen vor dem Abflug durchzuchecken, wobei er hin und wieder seine Zigarettenasche in eine kleine schwarze Plastikschale schnippte, die mit Tesafilm auf das Armaturenbrett geklebt war. Ratternd und laut stotternd erwachten die Motoren zum Leben und die Propeller setzten sich in Bewegung. Sirrend rollte das Flugzeug in die Sonne.
Ash beobachtete, wie der Boden unter ihnen vorbeizog, als die Maschine die Startbahn entlangholperte. Das Dröhnen der Rotoren wurde lauter, bis der Silbervogel in die Höhe stieg und Ash mit seiner trägen Schubkraft in den Sitz drückte. Ash heftete die Augen auf die Szenerie unter sich, die dicht gedrängten Häuser und die endlosen Tempelanlagen. Tief unten funkelte der Ganges, als das Flugzeug gen Westen abdrehte.
Er und Parvati waren auf dem Weg nach Rajasthan, um eine Armee von Rakshasas, einen Schwarzmagier und vermutlich sogar den Dämonenkönig höchstpersönlich zu bekämpfen. Sie zwei beide, ganz allein. Was Missionen anging, war diese hier jenseits von bescheuert – ein Selbstmordkommando.
Aber auch Lucky war in Rajasthan und Ash würde sie zurückholen.
Die Maschine ruckelte durch einige Wolken und Ash klammerte sich an den Armlehnen fest, doch dann dauerte es nicht lange, bis das monotone Dröhnen der Rotoren und die schiere Erschöpfung der vergangenen Tage seine Lider schwer und schwerer machten. Und als der Schlaf sich allmählich einstellte, fragte sich Ash, ob das vielleicht seine letzte Nacht auf Erden sein würde. Morgen würde er entweder Lucky retten – oder sterben.
Kapitel 29
»Er ist tot«, sagt Rama. »Ravana ist tot.«
Er beugt sich auf seinem Thron vor und starrt den Priester an, während der gesamte Hofstaat verstummt.
»Ravana ist nur tot«, sagt der Priester. »Das genügt nicht. Was hält ihn davon ab, wiedergeboren zu werden? Nichts.«
»Ich habe den Aastra benutzt.«
»Den von Vishnu. Wir haben Euch den Kali-Aastra aus gutem Grund gegeben, Eure Majestät.«
Die Priester Vishnus grummeln verärgert. Schließlich erhebt sich einer der in Safrangelb gekleideten Mönche und ruft: »Wollt Ihr damit sagen, dass Vishnus Geschenk nicht machtvoll genug war?«
Der Priester, der vor Rama steht, lächelt. »Ganz recht, das will ich damit sagen.«
Der Hofstaat empört sich. Die aufgebrachten Mönche drängen nach vorn und Ramas Krieger verschränken die Speere, um den schwarz gekleideten Mann in der Mitte der Halle zu beschützen. Lakshmana, der wie immer wachsam an Ramas Seite steht, legt die Hand auf seinen Schwertknauf und Rama erkennt die Wut in den Augen seines kleinen Bruders. Vishnu hier zu beleidigen? Gotteslästerung!
Rama verehrt Vishnu. Einige munkeln sogar, er sei die Inkarnation des Gottes – Vishnu in menschlicher Form. Wie sonst hätte Ravana besiegt werden können?, raunt man draußen auf den Märkten und Feldern. Rama kann kein gewöhnlicher Sterblicher sein, er muss ein Gott sein.
Doch der Priester, der vor dem Thron steht, schert sich wenig um Ramas Hingabe, denn er ist ein Anhänger Kalis.
Rama betrachtet den schweigenden Priester. Der Mann ist hager, schon beinahe knochig, und in seinen schwarzen Augen glimmt tödliche Macht. Seine Kleider sind aus schlichter Baumwolle, doch seine Gebetsperlen bestehen aus Knochen. Rama fragt sich, von welchem Tier sie wohl stammen. Trotz der schmächtigen Statur des Mannes sind seine Hände groß und seine Finger wirken kräftig. Es heißt, dass die Diener Kalis ihre Feinde erwürgen.
Rama erhebt sich und der Hofstaat verstummt erneut. Er tritt ans Fenster und lässt die Blicke über seine Stadt Ayodhya schweifen.
Die Wiederaufbauarbeiten sind in vollem Gange. Nach Jahren, in denen der Krieg tobte, sieht er endlich wieder Hoffnung in den Augen seiner Untertanen. Die Männer singen, während sie Balken zusammenhämmern, und die Kinder rennen lachend und jauchzend durch die Straßen und spielen Fangen. Schreiner, Bauarbeiter, Bauern und Handwerker aus aller Welt sind herbeigeeilt, um dabei zu helfen, diese vom Krieg erschütterte Nation wieder aufzubauen. Rama riecht den Duft von warmem Brot, der von der Bäckerei an der Palastmauer aufsteigt.
Falls Ravana je zurückkehrt, dann wäre alles umsonst gewesen.
»Ich habe gehört, dass es ein Metall gibt, dem Magie nichts anhaben kann«, sagt Rama.
Lakshmana nickt.
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