Ash Mistry und der Dämonenfürst (German Edition)
Körpergröße, sondern von Wert – es müsste jemand sein, der dir persönlich etwas bedeutet. Jemand, den du von Herzen entweder hasst oder liebst. Damit der Aastra stark genug wird, um jemanden wie Ravana zu töten, muss er mit einem sehr großen Opfer gefüttert werden. Einem gewaltigen Opfer.«
Das war es also, damit löste sich auch das Rätsel von Ashs Traum. Die ganze Zeit über hatte er sich schon gefragt, warum Lakshmana seine Rüstung abgenommen und Rama aufgefordert hatte zuzustoßen. Rama hätte Ravana nur töten können, indem er den Aastra durch die Opferung seines eigenen Bruders auflud, weil nichts sonst ausgereicht hätte, um den Dämonenkönig ein für alle Mal zu zerstören.
Doch Rama hatte es nicht über sich gebracht, also hatte er einen weniger mächtigen Aastra benutzt – kraftvoll genug, um den Dämonenkönig niederzustrecken, aber nicht, um ihn auch davon abzuhalten, wiedergeboren zu werden. Darum hatten Rama und die Götter Ravana hinter den Eisernen Toren eingesperrt. Bestimmt hatte der Dämonenkönig die vergangenen viereinhalbtausend Jahre damit verbracht, seine Rache zu planen und auf den Tag zu warten, an dem jemand die Tore öffnete. Und da sie von den Göttern versiegelt worden waren, konnte auch nur die Macht eines Gottes sie sprengen.
Und genau da kam der Aastra ins Spiel. Oh nein!
Ash ließ den Blick über die ausgedorrten Felder schweifen. »Savage wird meine Schwester töten, um den Kali-Aastra mit ihrem Tod aufzuladen.«
»Möglich.« Überzeugt klang Parvati allerdings nicht. »Der Kali-Aastra entlarvt die Schwächen aller Dinge und verleiht einem die Fähigkeit, diese Schwächen auszunutzen. Wenn er voll aufgeladen ist, zeigt er dir, wie man das Herz eines Menschen mit nur einer leichten Berührung stoppen oder eine Schlossmauer mit nur einem Tritt zum Einsturz bringen kann. Es ist die ultimative Kraft der Vernichtung.«
So wie Ash gestern Mayar ausgeschaltet hatte. Die merkwürdigen Lichter hatten ihm gezeigt, auf welche Stellen er zielen musste, um unglaublichen Schaden anzurichten.
»Und jetzt hat Savage ihn. Wie halten wir ihn auf?«
»Lass das meine Sorge sein. Du hast schon genug angerichtet.«
Ash zuckte unter der Beleidigung wie unter einem Hieb zusammen, sagte jedoch nichts.
»Wir sind da.« Sie rutschte an den Rand des Lasters.
Sie hatten die Grand Trunk Road erreicht, eine der Hauptstraßen, die nach Varanasi hineinführten. Die Wolken waren nun dunkler und schwerer als zuvor, bald würde die Regenzeit einsetzen und den ganzen Norden Indiens mit den jährlichen, sintflutartigen Wolkenbrüchen unter Wasser setzen. Jedes Mal überschwemmte es dann die Straßen und die Regentropfen prasselten so heftig und dick vom Himmel, dass es wehtat. Doch noch ging dieser Zeit eine kühle Meeresbrise voraus, die direkt vom Indischen Ozean her zu ihnen wehte.
Als der Laster im Verkehr feststeckte, noch weit außerhalb der Altstadt, sprangen sie ab. Nicht, dass der Tumult hier um einen Deut besser gewesen wäre. Wie an jedem normalen Tag herrschte ein ohrenbetäubender Lärm, erzeugt von Autos, Hupen, Vieh und Tausenden von Menschen, die ihrer Arbeit nachgingen. Niemand schenkte Ash oder Parvati besondere Aufmerksamkeit.
»Dann heißt es jetzt wohl Abschied nehmen«, sagte Parvati, während sie sich den schlimmsten Staub vom Gewand klopfte.
»Was?«
Parvati verharrte, dann blickte sie Ash an und seufzte. »Du hast ein gutes Herz, Ash, aber ich werde allein losziehen und Savage verfolgen. Es ist besser, wenn du hierbleibst.«
»Wo es sicher ist, meinst du?«
»Wo ich nicht ständig auf dich aufpassen muss.«
Ihre Worte schmerzten umso mehr, weil sie recht hatte.
»Ich kann dir helfen.«
»Wie?«
Vor Scham wurde er ganz rot im Gesicht. Ash stierte sie wütend an, doch Parvati ließ sich nicht erweichen. Mit verschränkten Armen stand sie da und betrachtete ihn kühl und gelassen. Sie hatte keine Angst vor ihm.
Niemand hatte das.
»Falls du’s vergessen hast«, sagte Ash, »Savage hat meine Schwester.«
»Und du willst sie retten. Das verstehe ich ja, trotzdem bleibt die Frage die gleiche: Wie?«
»Wie willst du Savage töten?«
Sie deutete auf Rishis Beutel. »Die Karte. Ich weiß, wo er steckt, und er kann nicht mehr als ein paar Stunden Vorsprung haben. Ich werde ihn aufspüren und endlich tun, was ich schon vor hundert Jahren hätte machen sollen: ihm die Zähne in den Hals rammen.«
»Bei dir hört sich das so einfach an.«
»Töten ist einfach.
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