Asharas Rückkehr - 19
Anhänger von einer der vielen Religionen Terras gewesen - falls er an etwas glaubte, dann war es die Musik -, deshalb blieben die Worte unpersönlich und fast ohne Eindruck zu hinterlassen. Die Träger ließen den Sarg in die Erde hinab, und der Ka-plan las aus dem Buch, eine alte, abgenutzte Ausgabe, und wahrscheinlich wertvoll. Die Worte waren so abgenutzt wie das Buch, uralt und formelhaft, und sie hörten sich für die Darkovaner vermutlich ebenso sinnlos an wie für Margaret. Als der Kaplan geendet hatte, beugte er sich vor, warf eine Hand voll Erde auf das Grab und zog sich dann zurück. Er hatte seine Pflicht erfüllt.
Margaret trat ans offene Grab, bückte sich und hob einen
Klumpen Erde auf. Kaum hatte sie ihn in der Hand, spürte sie ein beunruhigendes Kribbeln, als könnte die Erde selbst sprechen. Sie wareinen Augenblick unfähig, sich zu bewegen, das Gefühl der warmen Erde in ihrer Hand war, als fließe Darkover selbst durch ihre Adern. Dann ließ sie den Brocken auf den Sarg hinunterfallen und wurde still.
Sie blieb wie angewurzelt stehen, bis eine Frau vortrat. Ihr Haar war dunkel, ihre Haut blass, und sie war blau gekleidet. Sie hob die Arme und begann mit einem kräftigen Sopran zu singen, der zwischen den Grabsteinen und Bäumen schallte. Es war eine klagende Melodie, herzerweichend in ihrer Schönheit und Reinheit. Die Worte handelten von Frühlingen, die Ivor nie mehr sehen würde, Essen, das er nie mehr kosten, und Blumen, die er nie mehr riechen würde. Alle Sinne wurden gefeiert, und Margaret schluchzte erschüttert und hemmungslos. Als die unbekannte Frau zu Ende gesungen hatte, trat sie zur Seite, und ein großer Mann nahm ihren Platz ein. Margaret erkannte seine Stimme als die des Mannes, der Everard an der Spitze der Zunft nachfolgen würde. Er sang ein wunderschönes Lied in einer alten Form des Darkovanischen, und Margaret hatte Mühe, den Worten zu folgen. Die warme Kraft seines Baritons erfüllte sie mit einem Gefühl der Erleichterung, und sie stellte fest, dass sie zu weinen aufhören konnte und schweigend zuhörte. Sie wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht, die plötzliche Ruhe umgab sie so unerwartet, dass sie kaum wusste, wie sie sich verhalten sollte.
Zuletzt nahm Margaret Ivors altehrwürdige Gitarre aus dem Kasten, stimmte sie sorgfältig und strich über die Saiten. Sie sang mit heiserer Stimme, aber als sie sich warm gespielt hatte, verlor sie sich in der Musik, zupfte Melodien, die der Professor besonders geliebt hatte, alte terranische Lieder und Trinklieder von der Universität. Sie sang Liebeslieder von einem dutzend Welten, und als sie müde wurde, schloss sie mit
einem Klagelied, das so alt war, dass niemand mehr wusste, woher es stammte. Es handelte von einem tapferen und furchtlosen Helden, der vor seiner Zeit gefallen war.
Als Margaret aufblickte, sah sie, dass ihre Musik die kleine Trauergemeinde bewegt hatte; die Leute weinten oder hielten ihre Tränen zurück. Sie ließ die Gitarre sinken und verneigte sich. Es war vorbei.
Everard berührte sie am Arm. »Kommen Sie. Gehen wir heim.« Heim? Wo war ihr Zuhause? Wo gehörte sie hin? Das Gefühl des Verlusts brach wieder über sie herein und mit ihm der bohrende Kopfschmerz. »Ich danke Ihnen für alles, Meister Everard. Sie waren sehr freundlich. Aber ich würde gern noch eine Weile hier bei Ivor sitzen. Dann komme ich zurück zum Haus. Wären Sie wohl so nett, Ivors Gitarre mitzunehmen?«
»Natürlich, aber kommen Sie auch bestimmt allein zurecht?« »0 ja. Ich kenne den Weg inzwischen ganz genau.«
»Davon bin ich überzeugt. Sie sind eine sehr bemerkenswerte Frau, Marguerida Alton.« Mit diesen Worten verließ er sie.
A 1s Margaret allein war, trauerte sie. Vögel sangen in den -iVßäumen des Friedhofs; sie hörte sie, ohne wirklich darauf zu achten. Schließlich entschied ihr Körper, dass er hungrig war, und brachte sie jäh in die Gegenwart zurück. Es war ärgerlich. Dann vermeinte sie, Ivor kichern und ihr sagen zu hören, sie solle nicht eine solche Idiotin sein. Sie ging zurück durch das steinerne Tor des Friedhofs und begann sich nach einem Lokal umzusehen, in dem sie essen konnte.
Sie fand ein kleines Speisehaus, direkt vor derTerranischen Zone. Die meisten Gäste waren Terraner, die ihre schwarzen Lederuniformen zur Schau stellten und mit lauter Stimme sprachen. Sie schrak zusammen von dem Lärm und suchte sich einen Tisch im hinteren Teil des Lokals, wo es relativ ruhig war. Sie fühlte sich wie
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