Asharas Rückkehr - 19
Margaret konzentrierte sich auf die Partitur eines komplexen Musikstücks, es war fast wie ein Reflex, und nach einer Weile schaute er weg. Zum ersten Mal fielen ihr seine Hände auf, und sie sah, dass er sechs Finger hatte statt fünf. Beim Anblick seiner Finger tauchte die Erinnerung an ein anderes Händepaar auf, die Hände einer Frau, die über die Saiten einer Rvll strichen. Auch sie hatten einen zusätzlichen
Finger gehabt. Margaret unterdrückte einen Schauder und weigerte sich, in der Erinnerung zu verweilen, denn sie wusste, diese Hände gehörten der rothaarigen Frau, Thyra.
Der Mann rutschte unruhig auf seinem Stuhl umher und seufzte schwer. »Dein Vater ist einer der besten Männer, die ich kenne, Marguerida, aber er hat es nie geschafft, sein Privatleben auf die Reihe zu bringen. Was für ein Durcheinander!«
»Privatleben? Ich glaube, abgesehen von Dio hat er wohl kaum eines.« »Du bist sehr hart gegen ihn, hm?«
»Nicht annähernd so hart, wie ich gern wäre«, antwortete sie beißend. Hätte sie ihren Vater über die Lichtjahre zwischen ihnen transportieren können, dann hätte sie ihm jetzt mit Freuden eine Ohrfeige verpasst. Die Vorstellung erheiterte sie für einen Augenblick.
Rafe unterdrückte ein Lachen. »Hier können wir nicht ungefährdet reden. Ich glaube, unter diesen Umständen werde ich dich wohl lieber zur Burg hinaufbegleiten.«
»Und ich glaube, Sie sollten das lieber noch einmal überdenken, Captain Scott. Ich werde in keine Burg gehen, weder mit Ihnen noch mit sonst jemandem, der hier antanzt und mir erzählt, dass er den Senator kennt. Ich mag keine Ahnung von darkovanischen Sitten haben, aber so viel weiß ich, dass ich mich nicht mit einem völlig Fremden herumtreibe.«
Dennoch konnte Margaret eine gewisse Neugier nicht unterdrücken, auch wenn sie gleichzeitig sehr müde und widerspenstig war. Sie wünschte, sie hätte jeweils nur eine Empfindung und würde nicht ständig in verschiedene Richtungen gleichzeitig gezogen. Sie dachte daran, wie MacEwan und seine Frau angenommen hatten, dass sie zur Burg ging, und wie sich ihr die Leute allein aufgrund ihres Aussehens unterworfen hatten.
Rafe beugte sich gegen die Tischkante vor und senkte die Stimme. »Marguerida, du bist eine sehr wichtige Persönlichkeit, ob du es nun weißt oder nicht. Du hast eine Verpflichtung zu erfüllen, und du bist die Erbin der Domäne Alton. Es ist von entscheidender Bedeutung für die Zukunft von ganz Darkover, dass du mit mir kommst.«
Einen Moment lang rührte sie sich nicht, so zwingend waren seine Worte. »Sie müssen sich irren«, sagte sie schließlich.
»Nein. Ich war zwar noch jung, als du Darkover verlassen hast, aber alt genug, um zu bemerken, dass du die Alton-Gabe in hohem Maße besitzt - obwohl du noch ein Kind warst.« Die Eindringlichkeit seiner Stimme war unüberhörbar.
»Wollen Sie mir einreden, dass ich als kleines Kind eine Art Gedankenleser war?« Eine Erinnerung nagte an ihr, etwas über Manieren, und sie war unangenehm. Jemand hatte sie eine Schnüfflerin genannt, obwohl alle dabei gelacht hatten. Die Stimme in ihrem Kopf war die ihres Vaters, wenngleich sein Tonfall freundlicher war, als sie ihn aus späterer Zeit in Erinnerung hatte.
»Nicht >eine Art«, sondern eine sehr fähige Telepathin, Kind.« »Dann muss ich diese Fähigkeit verloren haben, als ich älter wurde, denn jetzt habe ich sie mit Sicherheit nicht mehr!« Aber Margaret glaubte selbst nicht so recht, was sie sagte. Es würde auf jeden Fall einige merkwürdige Vorkommnisse erklären. Sie wollte es allerdings nicht glauben. Es ließ sie an den silbernen Mann und an die rothaarige Frau denken - und an Tod.
Mit einer Plötzlichkeit, die ihr beinahe Übelkeit verursachte, wusste Margaret, dass sie vor langer Zeit gespürt hatte, dass jemand starb. Es war schrecklich, und sie wünschte, sie könnte vor dieser unerwünschten Erinnerung davonlaufen. Etwas so Fürchterliches war geschehen, dass sie es aus ihrem
Bewusstsein weggesperrt hatte, für immer, wie sie glaubte. Sie klammerte sich, von Entsetzen gepackt, am Tisch fest und wollte aufstehen.
Doch eine starke, sechsfingerige Hand schloss sich um ihren Unterarm. »Schon gut. Du musst dich vor nichts fürchten.«
Margaret spürte die Anwesenheit einer fremden Person in sich, beruhigend, tröstend. Sie schaute in die goldgesprenkelten Augen und biss sich auf die Unterlippe, bis sie Blut schmeckte. »Hinaus!«, zischte sie, wütend und zugleich hilflos.
Das Gefühl, dass
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