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Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)

Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)

Titel: Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilsa J. Bick
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er.

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    Gute Nachrichten?«, krächzte Peter. Die beiden Worte kosteten ihn einiges. Das Atmen schmerzte. Jedes Schlucken drohte ihm die Kehle zu verschließen. Er hob die verletzte Hand, um den Schaden zu begutachten, und betastete die Ränder eines feuchten Fleischlappens an einem zerfetzten Muskel unter seinem linken Ohr von der Größe eines Klebezettels. Ziemlich übel. Ein bisschen tiefer, und Davey hätte seine Halsschlagader entzweigebissen, aber die Ungeduld des Jungen hatte ihm das Leben gerettet. Peter fühlte noch jetzt, wo Daveys Daumen zugedrückt und sich beim Versuch, ihm die Luftröhre zu brechen, in sein Fleisch gebohrt hatten, ehe er aufgegeben und zugebissen hatte. Kaum hatte Peter bemerkt, dass der Druck nachließ und sich Daveys Zähne in sein Fleisch senkten, hatte er ihm den Handballen unters Kinn gerammt. Er hätte den Kerl fertiggemacht, wenn die Wachen nicht eingegriffen hätten.
    Dennoch gab es keinen Zweifel: Davey wurde stärker und gewitzter. Entweder das oder er selbst wurde schwächer. Wahrscheinlich traf beides zu.
    »O ja.« Finn klammerte sein Walkie-Talkie wieder an die Hüfte, griff dann tief in eine Tasche und zog eine Feldflasche heraus. »Ich sag dir, Junge, die natürliche Auslese ist eine wunderbare Sache.«
    »Ja?« Die Feldflasche hypnotisierte ihn wie eine Kerzenflamme die Motte. Gebannt beobachtete Peter, wie der alte Mann die Kappe abschraubte.
    »Mmmh.« Finn trank in großen, genüsslichen Schlucken. Dabei hüpfte und rollte sein Adamsapfel. Ein Rinnsal tröpfelte dem alten Mann übers Kinn, und Peters Zunge schlängelte sich zu seinem Mundwinkel, wie um etwas Wasser aufzufangen. Aber auf seiner Wange war nichts anderes als Dreck und Salz. Sein Mund schmeckte wie ein altes Klo, sein Atem roch nach faulem Obst. Was kein gutes Zeichen war. Er wusste, wie es stank, wenn jemand verhungerte.
    Heute war Dienstag: Fast zweieinhalb Wochen seit dem Hinterhalt und inzwischen sieben Tage in diesem Käfig. Zuletzt hatte er vor zwei Tagen Wasser bekommen. Seitdem hatte er nichts als seine eigene Pisse getrunken. Heute Morgen war die halbe Tasse, die er sich rausgequetscht hatte, dunkel wie Karamell gewesen, aber er hatte sie trotzdem geschluckt. Das würde er nicht noch mal machen können. Inzwischen war sein Urin zu stark konzentriert. Wenn er noch mehr davon trank, würden seine Nieren umso schneller versagen – was vielleicht eine Erlösung wäre, er sollte es mal von dieser Seite betrachten. Man fiel in ein nettes, ruhiges, tödliches Koma.
    Finn seufzte zufrieden wie ein Typ nach dem ersten kühlen Bier des Tages. Er stellte die Feldflasche auf den schmierigen Beton, dann griff er wieder in die Tasche. Diesmal zog er ein Plastiktütchen heraus. »Nehmen wir mal unser kleines Experiment«, sagte Finn, riss die Tüte auf und schüttete sich Erdnüsse, Salzgebäck, Schokolade und kandierte getrocknete Früchte auf die Hand. »Beispielsweise unsere Studien zum Druck.«
    Er war sich nicht sicher, was mehr schmerzte: seine staubtrockene Kehle oder der kneifende Magen. »Druck?«
    »Ist es das nicht?« Finn kippte sich den Energie-Mix von der Hand in den Mund und mampfte. »An der Evolution lässt sich beispielhaft der Selektionsdruck der Umwelt studieren. Entweder das Individuum passt sich an oder nicht. Anpassung ist die Antwort von Mutter Natur«, hier lächelte Finn, »auf Folter.«
    Wasser, entschied Peter, das Bedürfnis danach war eindeutig stärker. Er sah mit an, wie Finn seinen Energie-Mix hinunterspülte. Hätte er noch Tränen gehabt, er hätte geweint.
    Auf der gegenüberliegenden Seite des Zellenblocks sah er Davey an seinem üblichen Platz, er kauerte auf Augenhöhe und betrachtete ihn mit derselben Gier. Der Jugendliche hockte da so geduldig wie eine Spinne in ihrem Netz: Mit glitzernden Augen wartete er darauf, dass eine nette, saftige Fliege einen Fehler machte. Auch die anderen Veränderten hatten mehr oder weniger ein Auge auf ihn. Wenn er kämpfte, ja, das schien sie richtig zu fesseln. Aber Davey war der einzige, der ihn tatsächlich studierte .
    An diesem Vormittag hatte sich Davey auch zum ersten Mal eine olivgrüne Hose übergezogen. Sein Oberkörper war noch immer nackt, und er wusste auch noch nichts mit Schuhen anzufangen, aber diese Hose war eindeutig ein Schritt nach oben. Der einzige andere Jugendliche, der auch nur ansatzweise solche Fortschritte machte, war ein pickliger Junge, der sich einen Mädchen- BH so angezogen hatte, dass die Körbchen

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