Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)
die Zähne wehtun.«
Chris sah zu, wie sie sich langsam und behutsam aus dem Schlafsack schälte. »Wie geht es dir?«
»Schlecht.« Nach einer Pause fügte sie hinzu: »Tut mir leid, dass ich euch aufhalte.«
»Ist schon in Ordnung. Weller hatte recht. Wir mussten erst ein längeres Stück Richtung Osten hinter uns bringen, bevor wir den Bogen zurück schlagen konnten. Es wäre auf dasselbe hinausgelaufen.«
»Kann sein.« Sie stopfte den Schlafsack in den Transportbeutel und schnürte ihn fest, ohne aufzusehen. »Fragst du dich manchmal, was gerade in Rule passiert? Zum Beispiel, ob sie Peter schon gefunden haben?«
»Ich mache mir keine großen Gedanken über Rule, dort gehöre ich sowieso nicht mehr dazu. Ich denke zwar schon daran, was in Rule passiert und was sie alles für Dreck am Stecken haben. Aber Peter? Klar, da gibt es manches.« Chris ließ einen Gurtverschluss zuschnappen, was in der Kälte so laut klang, als würde ein Eiszapfen abbrechen. »Ob es seine Idee war, die Veränderten zu füttern, oder die des Rats … darauf kommt es nicht an. Er hätte dagegen kämpfen sollen, und das hat er nicht getan.«
»Wenn er noch lebt … « Sie verstummte kurz und fuhr dann fort: »Wenn er noch lebt und du beschließt, gegen Rule zu kämpfen, wirst du dann auch gegen ihn kämpfen?«
»Wahrscheinlich schon, wenn es sein muss.« Er drehte sich zur Seite und öffnete die Klappe des Zelteingangs. »Aber ich weiß es nicht. Ich hoffe einfach, dass es mir erspart bleibt. Offen gestanden, Lena … Am liebsten wäre es mir, wenn er tot wäre. Dann müsste ich mich nicht entscheiden.«
»Aber was, wenn nicht?«
»Dann lässt er hoffentlich mit sich reden.«
»Und wenn er dir nicht zuhören will? Du kennst ihn doch.«
Allerdings. Kälte schlug Chris entgegen. Die Luft war so trocken, dass sich ihm schier die Augäpfel zusammenzogen. Beinahe hätte er es geschafft, sich einzureden, dass er über die Gefühle für seinen Freund – Wut und Trauer – längst hinweg war, doch der Stich in seinem Herzen strafte ihn Lügen. Mein Gott, warum ich? Ich kann Peter nicht töten; vorher würde ich mir eher selbst das Hirn wegpusten. Ich weiß nicht mal, ob ich gegen Rule kämpfen kann. »Fragst du aus einem bestimmten Grund?« Er hielt den Blick von ihr abgewandt. »Vielleicht … Gibt es da etwas, was ich wissen sollte?«
»Vielleicht. Ja. Ich … «, begann sie mit matter, ausdrucksloser Stimme. »Es … es ist nur zwei Mal passiert. Sarah weiß nichts davon, aber … ja. Ich glaube … ich glaube schon.«
Das muss es sein. Sie sind nicht hinter uns her, weil sie sich verändert. Vor Erleichterung wurde er so schwach, dass er sich an der Zeltklappe festhalten musste. Ihm fiel ein, wie sich der Junge den Schal um den Hals gebunden hatte – der, den Chris bei den Leichen versteckt hatte, weil es die einzige Erklärung war, die einen Sinn ergab. Sie können uns wittern, weil sie schwanger ist, und Peter ist der …
»Was wirst du also tun?«, hakte Lena nach. »Wenn Peter lebt und nicht mit sich reden lässt und du gegen ihn kämpfen musst?«
»Hoffen wir, dass es nicht so weit kommt«, sagte Chris.
72
O Scheiße.« Luke übergab sich erneut, würgte aber nur noch wässrigen Schleim hoch. Im Licht des grünen Mondes hatte das Gesicht des Jungen die Farbe von verschimmeltem Käse. » Scheiße .«
»Reiß dich zusammen, wenn du nicht willst, dass uns jeder verdammte Chucky hier hört«, zischte Weller. Noch immer hielt er den Kopf des toten Jungen umklammert und hatte das Knie zwischen dessen Schultern gedrückt. Der Bursche war nicht älter als Luke und hatte den Fehler gemacht, sich von seiner Bande zu entfernen, um einen kleinen Imbiss zu sich zu nehmen. Sie hatten ihn schmatzen und schlucken gehört, obwohl er fast zwanzig Meter von ihrem Versteck entfernt war, in einem Schneegraben hinter dichtem Gebüsch, wo sie noch gute zehn Meter von Schacht zwei trennten. Da der Junge nur Augen für seinen Leckerbissen – zwei Handvoll Hirn – hatte, bemerkte er Weller erst im allerletzten Moment. Der Bursche hatte sich gewehrt und um sich geschlagen und den Alten beinah bezwungen, aber dann drückte Weller das Gesicht des Jungen in den Tiefschnee, bis er erstickte.
»Entschuldigung«, keuchte Luke. Er warf noch einmal einen flüchtigen Blick auf die glibberige Masse, die nun im Schnee verstreut lag. »Es ist nur … Ich hab noch nie … «
»Du wirst noch Schlimmeres zu sehen bekommen«, meinte Weller, während er sich
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