Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)
gut.« Das Feuer im Kamin prasselte, der Raum war stickig und überheizt, aber Chris glaubte nicht, dass die plötzlichen Schweißtropfen auf seiner Oberlippe nur daher rührten. Peter hatte keine Fragen gestellt, also hatte er ihn auch nicht anlügen müssen. Doch jetzt verlangten diese alten Männer nach Antworten, und die durfte er ihnen nicht geben.
»Weller wusste nichts davon, weil er nicht dabei war«, erwiderte Chris. »Peter und ich haben ein Farmhaus gleich östlich der Grenze ausgekundschaftet, und da hat uns so ein alter Mann davon erzählt.« Bei einem Farmhaus waren sie tatsächlich gewesen, das hatte allerdings schon lange leer gestanden.
»Und ihr geht natürlich jedem Gerücht nach.«
»Selbstverständlich. Was denkt ihr denn, wie wir sonst über die Runden kommen sollen? Hört mal, stehlen und töten wir etwa dafür, dass ihr hier sitzt und mir ins Gesicht sagt, ihr traut mir nicht?«
Kincaids Stimme drang warnend an sein Ohr. »Ruhig, Chris.«
»Mir geht’s bestens.« Sein Blick blieb auf den Rat gerichtet und wanderte von einem Ratsmitglied zum nächsten. »Ihr seid nicht dort draußen, aber ich – ich und Peter und ein paar Burschen wie Tyler und all die anderen, die noch nicht so vergreist sind, dass sie Windeln brauchen, um nicht ins Bett zu pissen.«
»Chris … «, unterbrach ihn Kincaid wieder.
»Ich kümmere mich schon darum, Doktor, danke.« Yeager hatte seinen klaren, wachen Blick auf Chris’ Gesicht geheftet. »Hüte deine Zunge, junger Mann. Wage es nicht, uns herauszufordern.«
»Das tue ich nicht«, sagte Chris. Aber wie gern hätte er es getan! Mochte es an der Gehirnerschütterung oder am Verlust von Alex und jetzt auch noch von Peter liegen, er hatte plötzlich die Nase gestrichen voll von diesen alten Knackern. »Ich verstehe nur nicht, worauf ihr hinauswollt. Ich würde Peter nie irgendetwas antun, niemals.«
»Gut.« Unter dem Geraschel schwarzen Stoffs rutschte sein Großvater auf dem Sessel vor und streckte ihm die Hände mit den Handflächen nach oben entgegen. »Dann brauchst du nur unsere Fragen zu beantworten.«
Chris zögerte bloß einen winzigen Sekundenbruchteil, ehe er Yeager seine erste Lüge auftischte. »Klar, ich habe nichts zu verbergen«, sagte er und legte seine Hände auf die des Alten. Sie fühlten sich künstlich an, glatt und wie aus Plastik, und Chris überlief ein Schauder. »Was willst du wissen?«
»Zuerst möchte ich, dass du dich hinsetzt«, sagte Yeager.
»Nein.« Auf dem Gesicht des Alten malte sich Erstaunen. Gut, dachte Chris. Wenn es ihm weiterhin gelang, seinen Großvater zu verunsichern und mit Unerwartetem zu überrumpeln, hatte er vielleicht eine Chance. Was immer ich als Nächstes sage, muss die Wahrheit sein. »Ich stehe lieber.«
»Aha.« Wie zur Demonstration seiner Autorität schaute Yeager den Wachmann an, der hinter Kincaid stand, und verkündete: »Ich denke, es ist an der Zeit, dass der Doktor und die anderen draußen in der Küche warten.«
»Nein«, widersprach Chris erneut. Dabei schaute er kurz über die Schulter und erhaschte einen flüchtigen Blick auf Lenas blasses Gesicht, doch sie blieb reglos wie eine Sphinx. Dann wandte er sich wieder dem Rat zu. »Ich habe nichts getan, wofür ich mich schämen müsste. Ihr etwa?«
»So läuft das hier nicht, junger Mann.« Prigge spitzte die Lippen wie ein spießiger Lehrer. » Wir treffen die Entscheidungen, nicht du.«
»Ich stehe hier doch nicht vor Gericht. Was wollt ihr tun? Mich oder die anderen erschießen? Habt ihr so viel Angst vor dem, was ich sagen könnte?« Als Prigge keine Antwort gab, fasste Chris wieder seinen Großvater ins Auge. »Also, was willst du wissen?«
Die Miene seines Großvaters hatte sich nicht verändert, sein beinahe wächsernes Gesicht gab so wenig preis wie das einer Schaufensterpuppe. Nur in seinen Augen zeigte sich eine Spur von Leben, sie glänzten jetzt wie bei einem Geier, der Aas auf der Straße entdeckt hatte. »Hattest du etwas mit dem Hinterhalt zu tun?«
»Nein.«
»Aber du hast Peter geraten, die Dead Man’s Alley zu nehmen«, meinte Ernst.
»Wie schon gesagt, ich kann mich nicht daran erinnern.«
»Und selbst wenn es so wäre, ist das kein Verbrechen«, warf Kincaid ein.
»Darüber sind wir uns im Klaren«, entgegnete Prigge.
»Dann hört auf, ihn zu beschuldigen.« Chris erkannte Lenas Stimme. »Dazu habt ihr kein Recht.«
»Sei still, Mädchen.« Yeager wartete einen Moment, dann fuhr er mit seiner Befragung fort.
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