Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)
»Warum bist du um Oren herum zu dieser Amish-Siedlung geritten?«
Chris’ Zuversicht schwand. Das konnte sein Großvater nur wissen, wenn er mit Greg oder einem der anderen gesprochen hatte. Die hatten es ihm natürlich erzählt, denn sie hatten ja keinen Grund zu lügen. Wenn er seine Antworten nur kurz halten konnte …
»Wir haben gehört, dort sollen Verschonte sein.«
»Aber woher wusstest du, wo genau du suchen musstest?«, hakte Ernst nach. »Die anderen meinten, du hättest ein Farmhaus nach dem anderen durchsucht, aber nie die Nebengebäude – bis du zu einer ganz bestimmten Scheune kamst.«
Die Luft entwich aus seinen Lungen. Der Adrenalinschub ließ nach, und Chris hatte den Geschmack von Metallpartikeln und Angst auf der Zunge. »Das kann ich nicht sagen.«
Jemand schnappte nach Luft. Er spürte die Spannung im Raum und sah, wie die Wachmänner sich Blicke zuwarfen, die er nicht entschlüsseln konnte. Nathans Augen waren schmal wie Schlitze.
Nun veränderte Yeager seinen Griff leicht, als wollte er Chris’ Puls fühlen. »Warum nicht?«
Antworte kurz und bündig, aber wahrheitsgetreu . »Weil ich es versprochen habe.«
»Du hast mir zu gehorchen!«, brauste Yeager jäh auf. »Ich habe dich hier hereingeholt und kann dich ebenso gut wieder hinauswerfen. Du antwortest jetzt!«
Chris sagte nichts.
»Mach lieber den Mund auf, Junge«, warnte ihn Born. »Die Wahrheit will ans Licht.«
»Stopp!« Wieder Lena. »Lasst ihn in Ruhe. Er kann nichts dafür.«
»Sei still, Mädchen.« Yeagers Finger schnürten seine Hände ein wie mit Draht. »Antworte.«
Chris musste sich beherrschen, sich nicht loszureißen. Denn wenn er das tat, würde er auf den Alten einschlagen und vielleicht nie wieder aufhören – und auch das war die Wahrheit. Kein Wort kam über seine Lippen.
»Warum«, fuhr Yeager fort, »bist du noch einen ganzen Tag geblieben, nachdem Greg und die anderen schon abgezogen waren? Wolltest du herausfinden, ob da noch mehr Verschonte waren? Hast du welche gefunden? Wer hat dir gesagt, wo du suchen musst?«
Kann ich nicht sagen. Ja. Nein. He, sag du es mir doch, dann sind wir beide schlauer. Die Stille war beinahe greifbar. Sein Herz schlug so laut, dass er dachte, alle im Raum müssten es hören, doch er schwieg beharrlich.
»Na schön.« Sein Großvater starrte zu ihm hoch. »Hast du Alex gern?«
Mit dieser unerwarteten Frage brachte ihn Yeager aus dem Konzept. Er spürte, wie er knallrot wurde, und die Antwort – die Wahrheit – brach sich unwillkürlich Bahn. »Das weißt du doch«, erwiderte er heiser.
»Aber sie hat dich belogen, Junge.« Born brach wieder in bellendes Gelächter aus. »Sie hat dich nur benutzt.«
»Nein.« Lüge, Lüge! Wir haben uns geküsst, sie hat dasselbe empfunden wie ich. Das war nicht vorgetäuscht. »Das stimmt nicht.«
»O doch. Und sie wäre ja nicht das erste Mädchen hier, das einen Jungen um den Finger wickelt, um ihren Willen zu bekommen.«
»Das ist unfair«, sagte Lena, stürmte plötzlich vor und schlüpfte an dem Wachmann vorbei. »Das kann man überhaupt nicht vergleichen. Reden Sie ihm das nicht schlecht.«
»Du, Mädchen.« Hammerbach trampelte hinter ihr her, aber sie war eine alte Frau und früher auch ziemlich korpulent gewesen, daher konnte sie nicht mit ihr Schritt halten. »Komm zurück. Du hast da vorn nichts zu suchen.«
»Leck mich«, erwiderte Lena und schon stand sie rechts von Chris, der Wachmann einen Schritt hinter ihr. »Ihr habt keine Ahnung, was wirklich passiert ist. Vielleicht dachte Alex, sie hätte keine andere Wahl.«
»Natürlich hatte sie die«, fauchte Yeager. »Gerade du, Lena, solltest das doch wissen. Du bist schließlich eine Expertin in Sachen Verrat.«
»Lass sie aus dem Spiel«, sagte Chris. »Wir reden hier über Alex und mich.«
»In der Tat«, entgegnete Yeager. »Alex ist nur ein Mädchen, aber die Wachen sagen, sie hätte eine Flinte und Vorräte dabeigehabt. Wer hat ihr diese Sachen gegeben? Wer hat ihr geholfen?«
Eine gute Frage. »Ich weiß es nicht«, antwortete Chris. »Fragt doch die Wachen.«
»Denkst du, das hätten wir nicht schon getan?«, polterte Ernst.
»Klar. Denen glaubt ihr natürlich jedes Wort. Nur mir traut ihr nicht.«
»In Anbetracht der Tatsache, dass du dem Hinterhalt auf so praktische Weise entgangen bist? Und dass das Mädchen Hilfe gehabt haben muss, um sich abzusetzen, was ihr letztlich auch gelungen ist?«, meinte Born. »Was würdest du denn an unserer Stelle
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