Ashes Bd. 1 Brennendes Herz
sicher, dass wir uns die Alternative leisten können.«
Und was sollte das heißen? Dass die Alten zu erschöpft waren und deshalb ihre Hoffnungen auf die Jungen setzten, auf Leute wie Chris? Oder auf sie, Alex? Vielleicht. Wenn Rule vom Rat regiert wurde, aber Yeager immer das letzte Wort hatte, dann setzte Jess Chris unter Druck, weil sie hoffte, dass er dieselbe Achtung genießen würde wie sein Großvater. Aber um was zu ändern? »Warum kann Jess nichts sagen? Oder einen Ausschuss oder so was gründen?«
Kincaid sah aus, als hätte er in eine Zitrone gebissen. »Dafür fehlt ihr der Einfluss. Die Mehrheit regiert, und die Mehrheit steht hinter dem Rat und dem Reverend.«
Klar, die Mehrheit der Männer.
»Sind Sie für Pastor Yeager?«
»Ich bin nicht grundsätzlich gegen ihn. Ich sehe die Logik dahinter. Wenn wir überleben wollen, müssen wir die Ordnung aufrechterhalten. Ich bin aber gegen die praktische Umsetzung.«
Und da werfen uns die Erwachsenen vor, wir würden uns nicht festlegen wollen. »Dann ändern Sie es.«
»Das ist nicht so einfach, wie du denkst, Kindchen. Außerdem kann man immer leicht etwas kritisieren. Eine bessere Idee zu haben ist schon schwieriger. Ich habe keine. Und selbst wenn ich eine hätte, wäre ich nicht der richtige Mann für so was.«
»Aber Chris schon?« Sie schüttelte den Kopf. »Lena hat recht. Warum wartet ihr darauf, dass wir euren Saustall ausmisten? Ihr seid doch alle Feiglinge.«
»Ja«, sagte Kincaid. »Da ist was dran.«
»Eins möchte ich wissen«, sagte Kincaid und warf dem Appaloosa die Zügel über den Kopf. »Was ist zwischen dir und dem Reverend abgelaufen? Nachdem er mich rausgeworfen hat, meine ich.«
Sie dachte an Ernsts Ermahnung: Je weniger Leute Bescheid wissen, umso sicherer ist es für alle. »Warum?«
»Alex, ich habe den Reverend mit vielen Verschonten erlebt, und bei dir hab ich zum ersten Mal gesehen, wie eine Verschonte ihn dran gekriegt hat. Du hast gewusst, was mit ihm los ist.«
»War nur geraten.«
»Quatsch. Wie bist du drauf gekommen? Außer mir und dem Rat wissen nur ganz wenige, was er mit seinen Händen anstellen kann.«
»Hm … wahrscheinlich war es die einzige vernünftige Erklärung.«
»Verzapf nicht solchen Mist. Pass auf, ich bin hier nicht der Feind. Ich möchte nur kapieren, was los ist.«
»Haben Sie mir nicht gerade geraten, den Mund zu halten, wenn die falschen Leute zuhören?«
»Ja, aber falls es dir noch nicht aufgefallen ist, ich bin einer von den Guten.« Kincaids Blick streifte das Haus. Alex schaute ebenfalls dorthin und stellte fest, dass Jess aus dem Fenster starrte. Als sie merkte, dass die beiden zu ihr sahen, nickte sie kurz und zog dann den Vorhang zu. »Vertraust du mir?«, fragte Kincaid.
Ernst mochte sagen, was er wollte, wenn es hier jemanden gab, dem sie vertraute, dann war es Kincaid – vielleicht weil sein Geruch sie so an ihren Vater erinnerte. Im Lauf ihres Gesprächs hatte sich daran nichts geändert, sie nahm nichts Stechendes wahr, was auf eine Lüge schließen ließ, und er schien sich große Mühe zu geben, ihr zu helfen. Also sagte sie: »Ich glaub schon.«
»Dann vertrau mir jetzt. Woher wusstest du von seinem … ich nenne es sechster Sinn. Bei ihm ist es der Tastsinn. Und bei dir?«
Sie leckte sich über die Lippen. »Ich rieche ihn.«
Kincaid runzelte die Stirn. »Riechen? Bei dir geht es nach Geruch?«
Sie nickte. »So hab ich auch rausgefunden, dass Harlan da war. Harlan hat … einen bestimmten Geruch, den ich erkannt habe.«
»Du meinst, auch Yeager hat einen Geruch? Du riechst ihn?«
»Wenn Sie es so sagen, dann hört es sich an wie Körpergeruch, aber … jeder hat einen Geruch. Bei manchen ist er«, sie suchte nach dem rechten Wort, »konzentrierter als bei anderen Leuten. Oft denke ich, dass ich riechen kann, was sie empfinden.« Sie erzählte von ihren jäh wiederkehrenden Erinnerungen. »Als würde ich den Geruch mit einer Erinnerung in Verbindung bringen, die ein bestimmtes Gefühl auslöst, und dann weiß ich, was die Leute empfinden. Es funktioniert nicht immer, weil es Dinge gibt, die ich einfach nicht benennen kann. Zum Beispiel … ein Eichhörnchen riecht eben nach Eichhörnchen.«
»Hab ich auch einen bestimmten Geruch?«
»Ja. Sie riechen nach Leder und«, sie überlegte, »nach Babypuder.«
»Schön, Leder ist gut. Wenn ich nicht so ein männlicher Typ wäre, hätte ich aber Probleme mit Babypuder.« Er grinste. »Und was ist mit dem
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