Ashes Bd. 1 Brennendes Herz
der chemischen Stoffe angeregt, die uns gefehlt hatten. Na ja, wahrscheinlich ist der Sachverhalt noch komplizierter, aber jetzt hast du immerhin eine ungefähre Vorstellung davon.«
Allerdings, aber das erklärte noch immer nicht, warum Tom überlebt hatte. Oder sie – außer wenn ihre Annahme stimmte, dass das Monster genug Schaden angerichtet hatte, um sie zu retten. »Und wie ist das mit den Kindern und Jugendlichen?«
»Keine Ahnung. Die Gehirne von Heranwachsenden sind ja nichts Unveränderliches, sie wachsen und entwickeln sich noch. Ich kann immerhin mit Gewissheit sagen, dass Kinder und Jugendliche Gehirnverletzungen überleben können, die bei Erwachsenen zum Tod oder zu schweren Behinderungen führen, etwa bei Beinahe-Ertrinken in kaltem Wasser. Je älter man wird, desto mehr verliert das Gehirn die Fähigkeit, Verletzungen zu kompensieren und sich anzupassen. Ich denke, es gibt eine natürliche Grenze, ab der eine Verletzung für das Gehirn schlicht zu viel wird. Im Hinblick auf die EMPs heißt das, dass die Mehrzahl der Erwachsenen das Trauma nicht verkraften konnte und auf der Stelle starb.«
»Und die Veränderten?«
»Nach dem, was ich gesehen habe, würde ich sagen, es hat mit der Gehirnentwicklung und Hormonen zu tun.«
»Das haben Tom und ich uns auch gedacht«, sagte Alex und dann erzählte sie Kincaid von der Begegnung mit Larry und Deidre.
Kincaid nickte zustimmend. »Das passt ins Bild. Hormone würden auch erklären, warum Kinder später noch zu Veränderten werden.«
Plötzlich musste Alex an Ellie denken. »Sie meinen, jedes kleine Kind verändert sich irgendwann so?«
»Gut möglich. Bisher scheint es jedenfalls so zu sein. Andererseits sind aber erst ein paar Monate vergangen, vielleicht wächst sich das, was sich in ihren Gehirnen verändert hat, von selbst aus. Die ganz Kleinen – Säuglinge, Babys und Kindergartenkinder – könnten eine Chance haben. Aber man weiß es nicht.«
Aus einer ganzen Generation von Kindern sollten Veränderte werden? Der Gedanke jagte Alex einen Schauder über den Rücken. »Aber warum haben sich manche von uns verändert und andere nicht?«
»Du meinst die Verschonten? Ich weiß nicht, was bei euch los ist, warum du und Leute wie Chris, Peter und dieser Tom, von dem du sprichst, sich nicht verändert haben. Wahrscheinlich sind eure Gehirne irgendwie anders, aber ich komme ums Verrecken nicht dahinter.«
Einen Augenblick zögerte sie, dann sagte sie: »Sie meinten doch, alte Menschen schlafen und träumen anders. Ich glaube, dass Tom in Afghanistan etwas Fürchterliches erlebt hat, was ihn … was ihn kaum schlafen lässt, und nie länger am Stück.«
Kincaid zog die Augenbrauen hoch. »Posttraumatischer Stress? Hmmm. Daran hab ich nie gedacht. Wäre aber denkbar.«
»Warum?«
»Weil die Gehirne von Menschen mit posttraumatischen Belastungsstörungen dauerhafte Veränderungen aufweisen, und die Symptome verstärken die Schäden, was wiederum zu noch mehr Symptomen führt. Deshalb sind diese Leute so schwer therapierbar. Sie können lernen, damit umzugehen, aber es handelt sich um eine Gehirnschädigung, die irreparabel ist.« Kincaid lachte auf. »Wäre ich nicht bloß ein einfacher Landarzt und hätte ich genügend Kinder als Probanden und ein hübsches Labor, in dem ich alle möglichen Untersuchungen machen könnte, würde ich es vielleicht herausfinden, aber daraus wird wohl nichts. Eins weiß ich allerdings sehr wohl: Jeder von uns Erweckten hatte erklärtermaßen einen Gehirndefekt, und jetzt denke ich mir, dass einige von den älteren Kindern, die sich hätten verändern müssen, es deswegen nicht getan haben, weil ihre Gehirne und Hormone irgendwie anders waren.« Er hielt kurz inne. »Du siehst, worauf ich hinaus will, nicht wahr?«
Ihr Magen krampfte sich plötzlich vor Angst zusammen. »Nicht so ganz.«
»Alex, es mag ja sein, dass ich nicht der Allerhellste bin, aber ich bin Arzt und kann eins und eins zusammenzählen. Der Reverend hatte eine schwere Hirnschädigung, und jetzt besitzt er einen Supersinn. Wir haben einen anderen Erweckten, der ein Supergehör hat. Doch du bist die einzige von den Jugendlichen, die sowohl verschont wurde als auch einen Supersinn entwickelt hat. Deshalb, Alex, muss ich wissen« – Kincaid legte sein bestes Zwinkern an den Tag – »was genau ist da in deinem Kopf los?«
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A lles in Ordnung?«, fragte Sarah. Sie blieb stehen, als Ghost an einem Baum herumschnüffelte. »Du warst den ganzen Abend
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