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Ashes - Pechschwarzer Mond (German Edition)

Ashes - Pechschwarzer Mond (German Edition)

Titel: Ashes - Pechschwarzer Mond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilsa J. Bick
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weiter, hielt nicht inne, und in dieser letzten Sekunde – vor dem Schuss – verstand Chris, warum.
    Hingestreckt wie ein Opfertier lag Yeager auf den Stufen. Chris erkannte seinen Großvater nur an dem kahlen Kopf. Das Gesicht war zerfetzt, doch der Kopf noch auf den Schultern. Alles andere war eine zerfledderte Masse aus Blut und Fleisch.
    Neben Yeagers Leiche kauerte ein Junge, blutend und mit blauen Flecken übersät. An seiner Seite wartete ein hochschwangeres Mädchen, das verstört und verängstigt wirkte. Als Alex zu ihnen stürmte, schaute nur der Junge auf.
    Mein Gott. Der Schock traf Chris wie ein Blitzschlag. Für einen Moment schien es, als hätte der Motor der Zeit einen Aussetzer, eine Störung, und bliebe am Ende ganz stehen.
    »Chris?« Greg war offensichtlich verwirrt. »Wer  … ?«
    »Wolf, bitte!« Trotz des Kampfgeschreis hörte er sie rufen. »Du musst weg, weg von hier, Wolf! Lauf los, du musst  … «
    Und im selben schrecklichen Moment sahen es alle, nur Alex nicht: ein Monster, das plötzlich auferstand, ein Wrack aus Fleisch und Knochen, praktisch nackt, die Kleider in Fetzen, mit roten Blutströmen aus Rissen, Biss- und Schnittwunden am ganzen Körper. Ein längliches Stück Kopfhaut mit bräunlichem Fleisch und grauem Haar hing lose herab. Von der Stirn bis zur Schädeldecke lag rosafarbener Knochen frei, als wäre dieses Monster im Begriff, sich zu häuten, um neu geboren zu werden.
    » DU !« – und das war für Chris der einzige Hinweis darauf, dass dieses Ungeheuer einmal eine Frau gewesen war. Ihr bluttriefender Arm mit dem halb entblößten Knochen schoss vor, auf Alex zu, und in ihrer Faust glänzte im Licht des neuen Tages das Chrom eines riesigen Magnum-Revolvers. » DU !«
    »Nicht, Mellie!«, brüllte Tom und zielte auf sie, im selben Moment schrie Chris: »Alex, Alex, pass auf, pass auf  … «
    Es war ein ganz merkwürdiges Gefühl, dachte sie, als wäre sie nach einem langen, dunklen, verworrenen Fiebertraum mit einem messerscharfen und glasklaren Verstand aufgewacht: Sie war zu sich selbst zurückgekehrt, aber nicht in elterlicher Umarmung, sondern eng umschlungen von Tom.
    Da waren sie nun, kämpften mitten im Weltuntergang um jede verbleibende Sekunde, und die Zeit lief ihnen davon in diesem wuchernden Garten des Todes. Dennoch gab es keinen anderen Platz auf Erden, an dem sie eher sein sollte als hier, bei Tom und Chris und ihren Leuten, die sie sehnlichst zurückerwartet hatten und sie fortbringen wollten.
    Aber das Monster suchte noch weiter, das spürte sie, denn sie wollte ja ebenfalls, dass sich Wolf in Sicherheit brachte. Deshalb konnte sie, als sie ihn bei Yeager entdeckte, nur daran denken, dass er von hier verschwinden musste, ein letztes Mal aus Rule fliehen musste, um eine Zukunft zu haben. Wie auch immer die aussehen mochte. Vielleicht war es unmoralisch, so etwas für einen Jungen zu empfinden, der zur Hälfte ein Monster war, aber es ließ sich nun mal nicht ändern.
    »Wolf!« Energisch packte sie ihn am Arm. Dabei behielt sie Penny im Blick, aber die schien zur Salzsäule erstarrt, was Alex nur recht war, denn sie hatten schon genug Probleme. »Du musst weg, du musst weg hier!«
    Wolf weinte. Dicke Tränen gruben sich eine rote Spur durch Blut. In diesem Moment wusste sie, was er fühlte, dazu brauchte sie kein Monster. Dieser Junge hatte gerade alles verloren. Nicht nur Yeager, sondern auch Peter. Für ihn gab es kein Zuhause mehr, keinen Zufluchtsort. Es war, als würde sie beim Begräbnis ihrer Eltern auf sich selbst hinunterschauen. Oder am Tag ihrer Diagnose: als sie in einem Sessel in einem schlecht beheizten Büro kauerte und zum ersten Mal sehen konnte, wie ein Monster, das im Dunkeln hauste und sie bei lebendigem Leib auffraß, wirklich aussah.
    »Wolf, bitte.« Ihre Lippen bebten, Tränen brannten in ihren Augen. »Es wird wieder besser, ich verspreche es dir, aber du musst es versuchen, du musst weg, Wolf, lauf weg  … «
    Es passierte ohne Vorwarnung. Mochte um sie herum noch so viel geschehen sein, so waren doch noch keine drei Minuten vergangen, seit sie das Monster herausgelassen hatte. Ständig fielen Schüsse, und Menschen schrien. Der Knall einer Waffe war also nichts Besonderes, obwohl  … war das nicht Tom, der da schrie?
    Etwas traf sie mit voller Wucht im Rücken. Sie sah Wolf zusammenzucken. Ein Feuer brannte in ihrer Brust. In der Stille zwischen zwei Herzschlägen starrten sie und Wolf einander nur an. Noch immer hörte

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